Kinder des Aufbruchs (ET: 2. November 2022)
Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Cover:
Ein schönes Cover, das uns gleich ins richtige Setting versetzt. Und ein hoher Erkennungswert zu „Kinder ihrer Zeit“ (das Vorgängerbuch). Beide Bücher können aber auch unabhängig voneinander gelesen werden.
“Kinder ihrer Zeit“ war vor zwei Jahren mein erster Roman von Claire Winter und durch diesen hatte ich meine erste Buch-Begegnung mit dem Thema Spionage. Das war neu, der Roman sehr spannend und interessant für mich. Durch diese Lektüre war ich dann angefixt, meinen ersten Roman von Titus Müller zu lesen „Die fremde Spionin“ (sehr empfehlenswert). Vor einigen Monaten habe ich „Die geliehene Schuld“ gelesen und auch dieses Buch hat mir hervorragend gefallen. „Schwestern von Sherwood“ und „Die verbotene Zeit“ sind noch auf dem SUB.
Unter dem Titel „Kinder des Aufbruchs“ hat Claire Winter eine Fortsetzung geschrieben. Glücklicherweise und für mich auch unverzichtbar ist das Personenverzeichnis hinten im Buch und ich war auch sehr zufrieden, dass die Autorin ihre Leser neben Danksagung auch informiert zu „Wahrheit und Fiktion“.
Das Buch behandelt politische Ereignisse vor meiner Geburt, die ich durch andere hist. Romane teilweise auch bereits beschrieben bekommen habe, die mich aber weiter sehr beschäftigen und einen auch lehren, warum in den letzten 50 Jahren manches so und nicht anders gelaufen ist. Man lernt ein Verständnis und das Lesen von hist. Romanen ist eine lebendige Geschichtsstunde.
Dadurch, dass ich 200 m vom Haus von Christa Ohnesorg und Lukas, Witwe und Sohn von Benno Ohnesorg, aufgewachsen bin; meine Mutter Christa aus ihrer Jugend kannte, habe ich bruchstückhaft sehr früh altersgerechte Erläuterungen zu den Geschehnissen um den Schahbesuch 1967 in Berlin bekommen. Benno Ohnesorgs Tod, der später auch als Mord bestätigt wurde, hat mich also daher immer beschäftigt und ich habe viel dazu nachgelesen. Unser Familiengrab ist auf dem Stadtteilfriedhof, wie auch das der Ohnesorgs.
Neben den Zwillingsschwestern und ihren Ehemännern wird eine neue junge Figur eingeführt: Luca, ein Waisenjunge mit ital. Wurzeln, der im Waisenheim lebt und Vertrauen zu Emma fasst. So erfahren wir viel vom Leben im Waisenhaus in West-Berlin, dem unfairen Umgang der Betreuer mit ihren Schutzbefohlenen und ich war froh, dass Luca durch Emma Zutrauen lernt und Vertrauen kennen lernt.
Es war schön zu erfahren, wie das Leben für die vier weitergegangen ist, bzw. was Leben nun an Herausforderungen an sie stellt.
Zitat:
Zitat Claire Winter: Ich fand es schon immer sehr faszinierend, dass die Stadt trotz der Mauer unter der Erde durch ihre Kanalisation, ihre Verkehrswege, Kellergewölbe und alten Bunkeranlagen miteinander verbunden blieb.
Über diese Ost-/West-Verbindungen habe ich mir nie Gedanken gemacht, erst jetzt durch den Roman. Das unterirdische Kanalsystem spielt im Roman eine wichtige Rolle und das hat mir sehr gut gefallen.
Während des Lesens hat mich zugegebenermaßen beschäftigt, man kann auch sagen geärgert, dass ich gerne noch mehr detailverliebte Erinnerung an „Kinder ihrer Zeit“ in meinem Hirn gehabt hätte. Dazu hatte ich zu viele andere Bücher in der Zwischenzeit gelesen, dass ich mich nicht so intensiv mehr erinnern konnte, wie ich gern gewollt hätte. Die Autorin streut hilfsbereit die wichtigsten Infos zum ersten Buch ein und eigentlich reicht das auch. Meine Ansprüche an meine Erinnerung waren zu hoch.
Für mich steht daher fest, da „Kinder ihrer Zeit“ mich so begeistert hat, ich freue mich darauf, beide Bände in einigen Jahren nacheinander zu lesen.
Die Fortsetzung hat es nicht geschafft, mich gleichermaßen zu überbegeistern, wie ich es empfunden habe, nach meinem ersten Claire Winter. Das war wohl auch fast unmöglich. Mit der ersten Lektüre hatte ich einfach das persönliche Gefühl, eine neue Autorin für mich entdeckt zu haben und das bestätigte sich mit „Die geliehene Schuld“. Bei „Kinder des Aufbruchs“ bin ich mit einer positiven Erwartungshaltung ans Lesen gegangen und ja, sie wurde erfüllt. Aber, es war nicht die Überraschung wie vor zwei Jahren.
„Kinder ihrer Zeit“ habe ich über den ganzen Roman spannungsreicher/ temporeicher und beängstigender in Erinnerung, wobei es bei „Kinder des Aufbruchs“ auch besonders zum Ende sehr spannend und überraschend wird. Natürlich empfehle ich beide Bücher nacheinander zu lesen. Bringt Euch nicht um den ersten Band!
Claire Winter ist sehr geschickt im Fährten legen und uns Leser während der Handlung zu beeinflussen. Ich wurde überrascht und das ist ja gut, dass manches nur vermeintlich voraussehbar ist.
Das Buch ist ein Pageturner, ich habe es gern gelesen und ungern eine Lesepause eingelegt.
Kritik gibt es für den Umschlagtext, dort wird Handlung verraten, die erst nach ca. 2/3 des Romanes passiert. So etwas ärgert mich sehr, lieber Verlag! Das war unnötig.
Ich freue mich auf meine Claire Winter-Bücher im Regal und jedes neue Werk aus ihrer Feder.
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Liebe Grüße von Christiane
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"Wenn Du ein Buch auf eine Reise mitnimmst, dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, Deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst Du wieder dort sein, wo Du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Worten wird alles zurückkommen - die Bilder, die Gerüche, das Eis, das Du beim Lesen gegessen hast." Mortimer Folchart