Berte-Bratt-Forum

Unter Tränen gelacht: Mein Vater, die Demenz und ich
von Bettina Tietjen

304 Seiten, 978-3492056427, März 2015

Klappentext: In diesem sehr persönlichen Buch erzählt Bettina Tietjen von der Demenzerkrankung ihres Vaters, vom ersten »Tüdeln« bis zur totalen Orientierungslosigkeit. Offen und liebevoll beschreibt sie die Achterbahn ihrer Gefühle, einen geliebten Menschen zu verlieren, aber auch ganz neu kennenzulernen, und die vielen komischen Momente, in denen sie trotz allem herzhaft zusammen lachen konnten. Bettina Tietjen musste lernen, dass Demenz ein Zustand ist, der ganz allmählich von einem vertrauten Menschen Besitz ergreift. Zuerst merkt man es nicht, dann will man es nicht wahrhaben. Schließlich muss man lernen, es zu akzeptieren. Denn trotz aller Herausforderungen ist Bettina Tietjen überzeugt: Demenz ist nicht nur zum Heulen, sondern kann auch Denkanstoß und Kraftquell sein.

Bettina Tietjen, geboren 1960, arbeitete nach ihrem Germanistik- und Romanistikstudium als Moderatorin, Reporterin und Autorin für den RIAS Berlin, die Deutsche Welle, den WDR und diverse Printmedien. Seit 1993 ist sie beim NDR-Fernsehen Gastgeberin auf dem Roten Sofa der Sendung »DAS!«. Außerdem empfängt sie einmal im Monat prominente Gäste in ihrer Freitagabend-Talkshow, seit 2015 zusammen mit Alexander Bommes („Bettina und Bommes“). Seit 2008 talkt sie auch im Radio in ihrer Sendung »Tietjen talkt« bei NDR 2. Bettina Tietjen ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.


Weil sie mir als Moderatorin seit Jahren bekannt ist und aus familiärem Interesse griff ich zu dem Buch. Wer schon einmal mit Heimen zu tun hatte, wird bei vielem nicken und beipflichten. Allerdings beneide ich trotzdem Bettina Tietjen um ihre Erfahrungen bei der dann doch ausgesprochen guten Heimunterbringung ihres Vaters. Bemerkenswert fand ich, was die Ergotherapeuten alles für die Bewohner auf die Beine stellten, von NDR- und Hagenbeck-Besuch über Kekse backen und Passanten schenken, Film- und Tanzabenden, Halloweenparty, u.a.m. Auch war ich sehr überrascht, dass Heim- und Pflegedienstleitung Bettina Tietjens Vater im Krankenhaus besucht haben und ihn dort gewaschen/ rasiert etc. haben. Das habe ich noch nie zuvor gehört!

Bettina Tietjen schildert anschaulich und trotzdem unterhaltsam in vielen Kapiteln eine sehr persönliche Geschichte. Es ist die Achterbahn ihrer Gefühle, einen geliebten Menschen - eben stückweise - zu verlieren, aber auch ganz neu kennenzulernen. Sie beschreibt besonders intensiv die letzten 2,5 Jahre, die Ihr Vater in ihrer Nähe in einem Hamburger Seniorenheim verlebt. Vorher wohnte er noch in seinem Reihenhaus in Wuppertal, die andere Tochter war in der Nachbarschaft und zunehmend wurde er wegen der zunehmenden Demenz mehr beaufsichtigt. Als dies nicht mehr zuhause zu organisieren ist, wird die Hansestadt sein neues Zuhause. Bettina Tietjen besucht ihren Vater sehr viel, spielt mit ihm und macht Erinnerungsübungen, geht mit ihm spazieren, holt ihn zu sich nachhause. Fast bis zum Ende ist er mobil und kann Spaziergänge machen, seine Familie legt auch weiterhin wert, dass er ordentlich gekleidet/ rasiert und gekämmt ist. Darüber berichtet sie, aber eben auch in Rückblenden wie sich der Zustand allmählich verändert hat und welche ersten Anzeichen es wohl gab.

Die Autorin beschönigt nichts, zeigt auf, wie Demenzkranke ticken, mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen, wie die Zustände in Heimen und Krankenhäusern sind und teilweise auch, wie die Umwelt auf diese Menschen reagiert. Tietjen beleuchtet auch die schönen Dinge dieser Zeit, die sie mit ihrem Vater erlebt hat. Sie zeigt auf, dass es lohnt, sich auf diese Menschen einzulassen und man auch Positives zurückbekommt, wenn man die richtige Einstellung hat. Eigenarten treten zutage, die man vorher nicht bei ihnen erlebt hat und trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass sie sich aber jeden Tag ihres Lebens, an denen es ihnen körperlich gut geht genießen, sie sich aber auch durchaus manchmal ihrer kognitiven Defizite bewusst sind.

Auch die Menschen , die in diesen Einrichtungen arbeiten, bekommen Anerkennung. Die Arbeit, die sie leisten, darf nicht unterschätzt werden. Es braucht Idealismus, Respekt vor dem Menschen und ein großes Herz und gute Nerven.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich hoffe trotzdem, selber nicht dieses Krankheitsbild begleiten zu müssen. Doch, man hat keine Wahl!

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Liebe Grüße von Christiane
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"Wenn Du ein Buch auf eine Reise mitnimmst, dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, Deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst Du wieder dort sein, wo Du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Worten wird alles zurückkommen - die Bilder, die Gerüche, das Eis, das Du beim Lesen gegessen hast." Mortimer Folchart