Der verborgene Garten
Ein vierjähriges Mädchen allein auf dem Weg nach Australien, eine alte Frau auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und eine junge Frau auf der Suche nach ihrer Zukunft, verbunden durch ein Geheimnis, dass 100 Jahre bewahrt wurde.
Kate Morton erzählt in diesem Buch eine englisch/australische Familiensaga über 5 Generationen. Sie erzählt die Geschichte Georgianas, Elizas, Nells und Cassandras in drei sich abwechselnden, ergänzenden und überschneidenden Erzählsträngen. Ereignisse in der Gegenwart werden angerissen und dann in Rückblicken ausführlich erzählt, wobei hauptsächlich zwischen drei verschiedenen Zeitebenen gesprungen wird 1900-13, 1976 und 2005. Dazwischen eingewoben sind Märchen, die in poetischer Form die Ereignisse teils stark vorwegnehmen und das ist eines der Hauptprobleme des Buches. Die Autorin verpackt den kompletten Handlungsstrang von 2005 im ersten Märchen, anschließend jedoch weist sie auf höchst unelegante Weise regelmäßig auf diesen Zustand hin und spricht ihren Lesern somit die Intelligenz ab, das selber zwischen den Zeilen herauslesen zu können. Einerseits ist der Schreibstil ansprechend und lässt einen in der Geschichte versinken, aber meist nur bis zu dem Augenblick, an welchem die Geschichte wieder einen erneuten Zeitsprung macht. Zwar ergänzen sich die Szenen und Situationen teils, jedoch wiederholen sich einige Elemente wirklich sehr aufdringlich, wie das Gewitter, das Cassandra Angst macht in ihrer ersten Nacht bei Nell und parallel dazu die erste Nacht von Nell bei ihren neuen Eltern, und dann auch noch die erste nach Elizas auf Blackhurst.
Alle drei Erzählstränge triefen von abgedroschenen Klischees. Der Erzählstrang um 1900 erinnert stark an die Dickens Erzählungen. Gefühlsdusslige Armutsdarstellungen, die in einem Happy End münden, weil sich herausstellt, dass das arme, arme Waisenkind der vermisste Erbe ist. Der kleine Lord und David Copperfield lassen grüßen, das Ganze noch gewürzt mit „der geheime Garten“. Stimmungsvoll kitschig. Eliza muss durch ein Tal des Elends, um daraus für später ihre Kreativität zu schöpfen... Der ganze Erzählstrang verwurstet Dickens, Hodgeson Burnett und macht auf viktorianische Novelle mit Herzschmerz, Selbstaufgabe und Tragik. Der Erzählstrang 2005 ist auf Rosamunde Pilcher Niveau: Schöne, vom Schicksal gebeutelte junge Frau fährt in Landschaftlich interessante englische Gegend, um dort eine neue Liebe und neuen Lebensmut zu finden. Schon nach der ersten Begegnung der Helden bzw. nach dem ersten Märchen ist dem Leser klar was kommen wird und wie es ausgehen wird.
Der Erzählstrang von 1975 ist relativ ereignis- und belanglos und plätschert vor sich hin.
Die Reaktionen einiger Handelnder Personen sind wenig glaubwürdig, so z. Bsp. Nells Reaktion als sie erfährt, dass sie adoptiert wurde vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges und der Spanischen Grippe. Wirklich spannende Handlungsstränge, wie Linus ungesundes Verhältnis zu Georgiana, Elizabeth und Ivory werden angedeutet und anschließend (wohl als zu brisant) unter den Teppich gekehrt.
S. 274: Hearse heißt Leichenwagen und nicht Sarg (coffin) S. 229: „A der hohen Decke hin ein Kronleuchter, dessen Kerzen den gesamten Raum mit warmem Licht erfüllten.“ - Da ist die Autorin einem Irrglauben aufgesessen. In Schloss Sanssouci wurde vor kurzen ein Experiment durchgeführt. Man hat die Kronleuchter und Kerzenhalter mit Kerzen bestückt, um zu erforschen wie die damalige Beleuchtungssituation war. Das Ergebnis: Ernüchternd. Von Licht, hell oder erleuchtet keine Spur. Physikalisch war keine Helligkeit zu messen. Kronleuchter waren ein sinnloses, hübsch anzuschauendes Prestigeobjekt, ohne wirkliche Beleuchtungsfunktion.
Fazit: Schon jeder der Erzählstränge für sich genommen ist auf seine Weise schlimm, platt und belanglos, die Kombination ist aber die Krönung. Und das Sahnetüpfelchen sind die Märchen, die nach Holzhammermethode, dennoch versuchen intellektuell daherzukommen, und in einer Art Fabel schon mal a) die Handlung komplett vorwegnehmen b) mit dem Zaunpfahl auf die Leser einschlagen, damit es auch der Letzte kapiert, was die Autorin beabsichtigt.
Für Liebhaber von Pilcher und Cartland sicherlich empfehlenswert.
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