Unschuldige
1955
Eine spannende Liebesgeschichte, die im Berlin der fünfziger Jahre spielt, in der Stadt, die zwar in Sektoren aufgeteilt, aber noch nicht durch die Mauer geteilt war, idealer Tummelplatz für Geheimdienste und Spione jeglicher Couleur. Leonard Marnham, Techniker des British Post Office, begibt sich immer tiefer und auswegloser in die fremde, gefährliche Welt des Secret Service. Gleichzeitig wird er von der jungen und hübschen Maria in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht. Marnham fühlt, wie er sein Leben aufgibt – und findet es herrlich. Doch die beiden geheimen Welten verändern sein Leben gewaltig.
Mit einer Krimi-Analyse von ZEIT-Autorin Maren Soehring:
Ian McEwan nutzt eine berühmt gewordene Spionageaffäre – die sogenannte Operation Gold der amerikanischen CIA und des britischen Secret Intelligence Service gegen die Sowjetunion – als komplexen Hintergrund für eine Liebesgeschichte in der Zeit des Kalten Krieges, die ihren Helden in ungeahnte Schwierigkeiten bringt. In einem exklusiven Anhang zum Roman erläutert die ZEIT-Redaktion Roman und Realität in ›Unschuldige‹ und zeigt die historischen Hintergründe der Zeit auf.
Ist ein Mensch, der unschuldig schuldig wird, schuldig oder unschuldig? Ian McEwan hat sich entschieden, er nennt sein Buch „Unschuldige“ (englischer Titel: ‚The innocent’). Ich bin mir da nicht so sicher ….
Berlin, 1955. Die Stadt ist schwer gekennzeichnet von den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges: „ …Die Gebäude, die früher unmittelbar ans Trottoir gegrenzt hatten, waren zerbombt worden und legten etwas zwanzig Meter dahinter eine zweite Reihe von Bauten frei, deren leere Obergeschoße wie aufgeschlitzt waren und eingesehen werden konnten. Es gab Räume mit drei Wänden, die in der Luft zu hängen schienen, Lichtschalter, Kachelöfen und Tapeten waren noch intakt. In einem der Räume stand ein verrostetes Bettgestell, in einem anderen öffnete sich eine Tür ins Nichts. Ein Stück weiter hatte gar nur eine Zimmerwand überdauert, eine riesige Briefmarke wettergegerbter Blümchentapete auf vorgewölbtem Verputz, der an nassen Ziegelsteinen klebte. Daneben befand sich ein Feld weißer Badezimmerkacheln, auf denen Abflussrohre hie und da Narben hinterlassen hatten. An einer Giebelwand sah man eine sägezahnförmige Treppe, die im Zickzack fünf Stockwerke hinaufführte. Am besten erhalten waren die Türstürze, die einst Erhabenheit angedeutet hatten und jetzt gruppenweise herumstanden.“ (Seite 34). Die Stadtviertel sind in Sektoren aufgeteilt, die von den Alliierten verwaltet werden, aber noch kann man sich in Berlin frei bewegen; die ‚Mauer’ wird erst in einigen Jahren errichtet werden.
Amerikaner (und die mit ihnen verbündeten Engländer) und Russen haben längst angefangen, sich gegenseitig zu misstrauen. Zwar kommt es nicht zu offenen Kriegshandlungen, aber jede Seite versucht nach Möglichkeit, die andere auszuspionieren. Im amerikanischen Sektor entschließt man sich, einen Tunnel in den russischen Sektor hinein zu graben und die russischen Datenleitungen von unten her heimlich anzuzapfen und abzuhören.
Das hat tatsächlich so stattgefunden, von Mc Ewan erfunden wurde hingegen Leonhard Marnham, ein junger, britischer Fernmeldetechniker, der an Tunnelbau und Datenklau beteiligt ist. Reichlich jung und naiv kommt er nach Berlin und trifft hier auf die Welt der Geheimdienste, auf die amerikanischen Verbündeten mit ihren merkwürdigen Sitten und Vorlieben und auf Maria, eine junge Deutsche, die bald seine Geliebte wird. Leider gibt es da noch Otto, Marias ehemaliger Ehemann, inzwischen Alkoholiker und Schläger und außerdem seinen netten amerikanischen Kollegen Bob Glass, der sich ebenfalls für Maria interessiert.
„Unschuldige“ beschreibt spannend und einprägsam einen kleinen Teil des ‚kalten Krieges’ auf deutschem Boden. Die Sprache ist modern, teilweise wird sequenziell erzählt, teilweise parallel (was ein wenig verwirrend ist) und einige Rätsel lösen sich erst ganz am Ende des Buches. Die historischen Fakten sind lesenswert; darüber hinaus stellt das Buch für mich die Frage nach dem Zusammenhang von Schuld und Glück. Mc Ewan lässt die Antwort darauf zu einem gewissen Teil offen – somit hat jeder Leser die Möglichkeit, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.
Das Buch ist Teil der ZEIT-Edition „Historische Kriminalromane“ und mit einem Nachwort von Maren Soehring versehen.
_________________ Liebe Grüße von Susanne
Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, "Wo kämen wir hin!" und niemand ginge um mal zu sehen, wohin man käme wenn man ginge. (gefunden in facebook)
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