Die Einkreisung
1896
New York: Unter Polizeichef Theodore Roosevelt kommt es zu einem grauenvollen Mord, der sich als Teil einer ganzen Mordserie erweist. Mit den Ermittlungen wird Dr. Kreisler beauftragt, ein Vorläufer Sigmund Freuds. Gegen erbitterte Widerstände des weitgehend korrupten Polizeiapparats gelingt es ihm, mittels eines detaillierten Psychogramms den Mörder einzukreisen.
Mit einer Krimi-Analyse von ZEIT-Autor Tobias Gohlis:
Was uns heute als ›Profiling‹ durch verschiedene Fernsehserien längst zum geläufigen Begriff geworden ist, war im viktorianischen Zeitalter noch gänzlich unbekannt. Caleb Carr beschreibt das sukzessive Herantasten an den Mörder minutiös und liefert damit den Vorläufer zu allen heutigen Psychokrimis. In einem exklusiven Anhang zum Roman erläutert die ZEIT-Redaktion Roman und Realität in ›Die Einkreisung‹ und zeigt die historischen Hintergründe der Epoche auf.
Selten habe ich einen 500 Seiten langen Roman so schnell und vor allem so gerne gelesen! Und das, obwohl die im Buch geschilderten Morde an jungen, männlichen Prostituierten durchaus in einer Art und Weise beschrieben werden, die gar nicht schön ist …
New York, kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine aufstrebende Nation, ein Land der Hoffnung und des „besseren Lebens für die Kinder“, eine zukünftige Weltmacht. In den Elendsvierteln der Stadt ist davon aber nur wenig zu bemerken. Hier kämpfen Einwanderer aus Deutschland, Italien, Irland und vielen anderen Nationen jeden Tag um ein menschenwürdiges Überleben und betäuben ihren Kummer zuweilen mit Alkohol oder Gewalt gegen Schwächere. Die Polizei ist korrupt und kaum daran interessiert, ihre Bürger zu schützen.
Gegen diese Korruption kämpft energisch der neue Leiter der New Yorker Polizeibehörde, Theodore Roosevelt (der spätere Präsident der USA). Da er feststellt, dass bei Morden gegen Einwanderer nur schlampig ermittelt wird, beauftragt er ein privates Ermittlerteam sich eines Mordes anzunehmen, der sich als Teil einer ganzen Mordserie an jungen, männlichen Prostituierten erweist. Leiter der kleinen Gruppe ist der deutsch-ungarische Psychologe Dr. Laszlo Kreisler. Wir erleben die Geschichte aus dem Blickwinkel des Ich-Erzählers John Schuyler Moore, Journalist und ebenfalls Teil des Teams.
Die Detektive stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Nicht nur, dass weite Teile des Polizei- und Verwaltungsapparates alles tun, ihre Mission zum Scheitern zu bringen, sie haben auch kaum Anhaltspunkte, den Mörder zu finden. Dr. Kreisler verlegt sich daher auf eine Methode, die wir heute als 'Profiling' bezeichnen: Das Team versucht, aus den Handlungen Rückschlüsse über den Charakter des Täters zu ziehen. Unwichtige Kleinigkeiten führen zu ersten Einschätzungen, verdichten sich zu konkreten Hinweisen. Vieles davon scheint anfangs unwichtig zu sein, führt aber zu anderen Fragen und schließlich zu Lösungen. Die Detektive nutzen aber auch andere ‚moderne’ Ermittlermethoden, sie nehmen Fingerabdrücke (das kennt man noch heute) oder machen ein Photo der Pupille des Ermordeten, in der Hoffnung, das Bild des Mörders hätte sich dort eingeprägt (das hat sich weniger durchgesetzt). Am Ende wird der Täter tatsächlich ‚eingekreist’.
Das Buch lebt von seinen anschaulichen Beschreibungen des New Yorks des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Caleb Carr lässt uns teilhaben an Besuchen in Restaurants, in der Oper, bei der Familie Roosevelt, zeigt uns aber auch das Leben in Bordellen und Spielhöllen, in Gefängnissen und Irrenhäusern. Die Ermittler, darunter auch Sarah, eine der ersten Frauen bei der New Yorker Polizei, sind keine ‚Superhelden’, sondern zuweilen von Selbstzweifeln gequält und allgemein menschlich und sympathisch dargestellt. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, den Mörder zu finden, die Gruppe bildet ein gutes „Team“ – vielleicht einer der Gründe, warum mir das Buch gefallen hat: Ich mag Geschichten, bei denen gemeinsam ein Ziel erreicht wird.
Wer also Interesse an historischen Krimis bzw. am New York der Jahrhundertwende hat, dem kann ich sehr empfehlen, Caleb Carrs ‚Einkreisung’ zu lesen!
Das Buch ist Teil der ZEIT-Edition „Historische Kriminalromane“ und mit einem Nachwort von Tobias Gohlis versehen.
_________________ Liebe Grüße von Susanne
Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, "Wo kämen wir hin!" und niemand ginge um mal zu sehen, wohin man käme wenn man ginge. (gefunden in facebook)
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