Nun ist mir Ulrike doch zuvor gekommen.
Meine Kolleginnen baten mich im April, weil ich schnell und viel lese, sie bei den Büchertipps für Veterinärmediziner zu unterstützen. Ich habe mir dann das Thema Bienen geschnappt um Titel in unserer Fachzeitschrift vorzustellen. Direkte Begeisterung/ Beurteilung zu einem Buch auszudrücken ist natürlich im Zeitschriftenartikel nicht vorgesehen. Der Beitrag wird nun erst Anfang August veröffentlicht und doch will ich auch nicht mehr abwarten und stelle es hier schon einmal vor.
„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.
Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“
- Albert Einstein
Die Geschichte der Bienen, Maja Lunde, 510 Seiten, btb, 20 Euro, ISBN 978-3-442-75684-1
Bienen gelten als fleißig und unermüdlich, einige Menschen ängstigen sie, dabei sind diese wichtige Insekten. Ohne Bienen müssten wir hungern. Wenn sie nicht die Blüten auf der Welt bestäuben, wächst nur noch ein Bruchteil unserer Nahrung. Als Folge von Monokultur, Schädlingsbefall und Umweltvergiftung sterben immer mehr Bienenvölker.
Die norwegische Autorin Maja Lunde schildert abwechselnd die Geschichte von drei Familien in eigenen Handlungssträngen. Eine Familie lebt 1852 in England, die anderen im Jahr 2007 in den USA und in China 2098. Die Bienen als Symbol für das Leben und für funktionierende Öko-Systeme verbinden die drei Schicksale. Maja Lunde beschreibt mithilfe der Familien die Entwicklung der Bienenhaltung im Laufe von fast 250 Jahre, wie wir die Lebensgrundlagen der emsigen Helfer zerstören und die katastrophalen Folgen ihres Verschwindens für uns und unsere Nachkommen. Allen Familien gemeinsam sind nur die Bienen, die auf entscheidende Weise ihr Leben bestimmen. Abwechselnd lernt man drei unterschiedliche Menschen und ihre Familien kennen und weiß anfangs nicht, was sie miteinander zu tun haben. Klar ist nur, dass sie sich irgendwie mit Bienen beschäftigen. Es geht um unterschiedliche Lebensentwürfe, um Schicksalsschläge und um das Scheitern und immer wieder um die Bienen. Die Figuren wirken so lebendig und lebensecht und es wird niemals langweilig, da man lange nicht ahnt, wohin die Geschichte führt.
Der Roman verdeutlicht, wie wichtig diese kleinen Insekten sind, die zu wenig im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen und die eigentlich viel mehr unsere Beachtung verdient hätten. Es wird einem beim Lesen bewusst, wie verantwortungslos wir mit unserer Umwelt umgehen und wie denkbar das Aussterben der Bienen ist. Trotzdem wird nicht der moralische Zeigefinger sichtbar.
Spannend ist, die von Maja Lunde entwickelten Persönlichkeiten kennenzulernen und herauszufinden, in welchem Verhältnis sie zur Imkerei und zu den Bienen stehen.
Während William in England das biologische der Bienen und den Aufbau des Bienenstocks untersucht, versucht George, seine kleine Bienenfarm in den USA aufrecht zu erhalten. Tao hingegen lebt in einer Zeit, in der die Bienen schon lange verschwunden sind und in der nur noch die Handbestäubung überhaupt dafür sorgen kann, dass einige Menschen überleben. Obwohl sich die drei Geschichten abwechseln, kann man sich in alle Handlungen gut hineindenken, kennt die Personen und ihre Träume, Probleme und Wünsche. Nach und nach erkennt man , auf welche Art und Weise die Handlungen noch verbunden sind.
Das Thema, das aktueller nicht sein könnte, regt zum Denken an und weckt gleichzeitig eine Begeisterung für das, was man alltäglich im Frühjahr und Sommer sieht: Die Bienen bestäuben Blüten. Ein absolutes Lesevergnügen und ein liebevoll ausgearbeiteter, gut recherchierter und ansprechend gestalteter Roman!
Es ist kein Imkerroman, die Honiggewinnung spielt nur eine untergeordnete Rolle, mehr geht es um die Bienenhaltung zum Zweck der Bestäubung von Nutzpflanzen, insbesondere im Obstanbau. Dieses Buch schärft die Wahrnehmung für Bienen und andere Insekten, sowie deren enorme Bedeutung für das Ökosystem. Nach dem Zuklappen wirkt der Roman noch lange nach.
Die norwegischen Buchhändler haben dem Roman ihren Buchhandelspreis verliehen und sein verdienter Erfolg setzt sich fort durch diverse internationale Veröffentlichungen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, war ich doch sehr skeptisch vorher aufgrund der Zukunftserzählung. Ganz besonders ist der Buchschnitt, nämlich haptisch uneben, wie Bienenstreifen. Unter dem Schutzumschlag verbirgt sich übrigens ein bienengelbes Hardcover mit einer großen Biene.
Es hat mich für ein neues Thema sensibilisiert, morgen stelle ich noch ein weiteres tolles Bienen-Buch vor.
_________________
Liebe Grüße von Christiane
***********************************
"Wenn Du ein Buch auf eine Reise mitnimmst, dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, Deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst Du wieder dort sein, wo Du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Worten wird alles zurückkommen - die Bilder, die Gerüche, das Eis, das Du beim Lesen gegessen hast." Mortimer Folchart