Guillou ist ein schwedischer Autor, den ich vor Jahren durch seine Coq-Rouge Spionageromane (leider später mehrmals schlecht verfilmt) entdeckt habe. Die nächste Serie über Arn, den Wikinger, war für mich ein perfektes Schlafmittel, und den Internatsroman Ondskan habe ich nach dem ersten Kapitel abgebrochen. Daher war ich sehr skeptisch, als ich zufällig auf die 20.Jarhundert-Serie gestossen bin, und habe mir erstmal den ersten Band auf Deutsch aus der Bib geliehen. Aber - grosse Überraschung!- er gefällt mir so gut, dass ich ihn vorstellen muss:
Die Brückenbauer
Als die See ihnen Vater und Onkel nahm, kamen drei Jungen aus dem norwegischen Westland in die Stadt Bergen um die Familie zu unterstützen. Durch Zufall entdeckte man, dass die drei kleinen Segelmacher-Lehrlinge ungewöhnlich technisch begabt waren, und mit Hilfe einer Wohltätigkeitsvereinigung wurden die Jungen auf eine Schule geschickt. Viele Jahre später machten die drei Fischersöhne das Diplom als Eisenbahn- und Brückenbau-Ingenieure an der Universität Dresden. Es ist 1901, und das technologisch fortschrittlichste Jahrhundert der Menschheit hat gerade erst begonnen. Der Plan war nun, dass sie nach Norwegen zurückkehren, um beim grossartigsten norwegischen Bauprojekt zu helfen, die Eisenbahn zwischen Oslo und Bergen zu bauen. Aber die Liebe macht ihnen einen einen Strich durch die Rechnung. Einer von ihnen flüchtet, betrogen und beschämt, nach Deutsch-Ostafrika, endet aber trotzdem auf einem der größten Bahnbauvorhaben der Ära zwischen Dar-es-Salaam und dem Tanganjikasee. Der Zweite flüchtet, ebenfalls der Liebe wegen, aber nach London. Nur der älteste Bruder Lauritz kehrt nach Norwegen zurück, um die ausgezeichnete Ausbildung der Brüder beim Bahnbau auf Hardangervidda abzuarbeiten. [nach Klappentext Piraförlaget]
So, das ist also der offizielle Text des Verlags. Da wir hier nun aber das BB-Forum sind, bewerbe ich das Buch mal ganz anders: Ein einsamer Hof im kargen Westnorwegen. Ein Pastor, der die Mutter auf die Fähigkeiten der Kinder hinweist. Eine redliche Familie, karg und still wie das Land, die durch harte Arbeit den Hof auf der Höhe hält, mit Schafzucht, Wolle spinnen und Pullover für Touristen stricken. Ausbildung in Deutschland. Die Liebe erstmal hintenanstellen, um Norwegen etwas zurückzugeben. Das alte, gut protestantische Bergen. Und im Gegensatz dazu die Weite Afrikas, der Tierreichtum, die Hitze, das Abenteuer.
Mich hat sehr viel an Anne und die Geschichten aus Ovregaten erinnert, aber vielleicht ist das "Norwegen"? Vielleicht müssen sich Geschichten über Norwegen ähneln, weil die Gegebenheiten einfach so waren? Über den Afrikateil solltet ihr euch aber keine Illusionen machen, da erinnert wenig an Sonja und Heiko. Es spielt nun mal in der Kolonialzeit, und da dachte man eben noch ganz anders (auch wenn zum Schluss mal erwähnt wird, dass die Abschussquote für Elefanten beschränkt wurde).
In diesem ersten Band geht es nur um zwei der Brüder, Lauritz in Norwegen und Oscar in Afrika. Es ist spannend zu lesen, wie ähnlich sich das Arbeitsleben der zwei gestaltet, auch wenn die Schwierigkeiten, die sie zu bewältigen haben ganz anderer Natur sind. Lauritz hat bei der Bewältigung des Bahnbaus vorwiegend mit dem Wetter zu kämpfen, Oscar mit Löwen und Kannibalen (einige Afrika-Teile erinnern an Rider-Haggard, aber es liest sich lustiger). Natürlich hat das Buch bei fast 800 Seiten auch Längen, nach dem x-ten Schneesturm hat man irgendwann genug, und über Lettow-Vorbeck und die Askaris hatte ich mich grade ein paar Wochen vorher aufgrund einer Fernsehdoku informiert. Was übrigens auffällt ist die pro-deutsche Einstellung (hat mich auch in der Doku überrascht), die Belgier sind böse, die Briten auch, und die Amis sowieso, aber die Deutschen sind -im Rahmen des damaligen Zeitgeists- gerecht.
Ein superinteressanter historischer Roman, der von mir fünf Sterne bekommt. Ich bin schon gespannt auf den nächsten Band, um endlich etwas über den dritten Bruder, Sverre, zu erfahren.
_________________ LG ~ Schussel X Griffindor by birth, Slytherin at heart! ~ Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt. - J.L.Borges ~
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