Trotzkopfs Erlebnisse im WeltriegeErzählung von Marie von Felseneck
A. Weichert Verlag, Berlin N.O. 43
Copyright 1916 A. Weichert, BerlinDas Buch selbst spielt in der Zeit von 1913 bis 1916. Endet also 2 Jahre vor dem Ende des ersten Welkrieges, der damals logischerweise einfach nur Weltkrieg hieß. Außerdem schließt es von der Zeit direkt an den Band "Der Trotzkopf" an und somit direkt an Ilses Zeit nach dem Pensionatsleben.
In dem ganzen Buch ist mir ständig diese Demut von Ilse aufgestoßen, die sich immer wieder dafür entschuldigt, dass sie ihren Trotzkopf noch nicht genug gezähmt hat. Dabei ist sie kein eines Mal wirklich aus der Haut gefahren und ich habe bis zum Ende vergeblich auf die große Katastrophe und den sturen Kopf von Ilse gewartet. Und gerade dieser Trotzkopf von Ilse ist das, was ich an ihr so liebenswert fand. Eben mal nicht in die Norm der damaligen Zeit gepresst, sondern seinen Willen zeigen.
Hier ein Beispiel:
(Ilse ist bei ihrer Tante Lotte und ihrem Onkel Kurt in München und wartet seit Wochen auf Nachricht aus Moosdorf. Der Vater hatte nur kurz geschrieben, dass es der Mama nicht so gut gehe und dass deshalb aus der geplanten Reise nach München nichts werden würde. Aber dies liegt nun auch schon einige Zeit zurück).
Zitat:
"Hier die Depesche. Diese Nacht zwölf Uhr traf unsere kleine Liselotte in Moosdorf ein. Mutter und Kind erfreuen sich bester Gesundheit," las Onkel Kurt vor.
Jetzt erst kam Leben in Ilses Gesicht, sie stieß einen hellen Freudenjubelruf aus. Dann aber nahm sie die Depesche, gleichsam um sich augenscheinlich von der Wahrheit des eben gehörten zu überzeugen.
"Ein Schwesterchen, wie reizend für Heinzelmann, nun ist er doch nicht mehr so ganz allein, der liebe süße Junge," sprudelte sie voller Entzücken hervor. "Ein Kind mehr unter dem Weihnachtsbaum, wir werden sich die Eltern freuen. Müssen wir nicht sofort Glückwünsche senden?"
"Natürlich - das Hausmädchen macht sich schon fertig, aber - mit Weihnachten und Moosdorf wird es wohl nun nichts werden?"
"Nichts werden?"
"Ich fürchte, dein Vater wünscht sich keine Gäste in das Haus - er -"
"Aber Onkel, wie seltsam du redest, wir sind doch keine Gäste, wir gehören doch ins Haus. Meine Mutter, mein Schwesterchen." Ilse hatte die letzten Worte in verklärter Zärtlichkeit leise geflüstetert.
"Wird sich alles finden, Papa wird ausführlich schreiben und seine Wünsche sowie die Verordnungen des Arztes uns mitteilen. Heute wollen wir uns nur über die Ankunft der Schwester freuen und alle Gedanken an die nächste Zukunft und was sie bringen wird, bei Seite schieben."
Ilse schwieg nachdenklich still, und Tante Lotte bemerkte es wohl, dass es wie verhaltenes Weinen um die blühnenden Lippen zuckte. Erst nach einer Weile sagte Ilse ruhig:
"Lieber Onkel, ich sehe mein Unrecht ein, noch immer regt sich manchmal der alte Trotzkopf in mir, aber ich versuche ihn zu besiegen. Jetzt sage ich, du hast ganz recht, lassen wir uns die freudige Botschaft nicht durch allerlei Tüfteleien vergällen. Wie glücklich wird Papachen sein, nun zieht frisches heiteres Leben in das alte Oberamthaus sein."
Selbst jetzt beim Abtippen frage ich mich wieder, wo da der Trotzkopf erschienen ist.
Desweiteren ist mir aufgefallen, dass dieses Buch nur so vor Patriotismus strotzt. Ebenso wie bei "Nesthäkchen und der Weltkrieg" werden die Deutschen über alles gelobt. Der Sieg des Krieges wird als selbstverständlich betrachtet und die Vorurteile gegen den Feind sind einfach unglaublich. London versinkt generell im Nebel und die Engländer sind eh hinterhältige Wesen. Die Franzosen starren vor Schmutz und haben alle dunkle Haarre. Die Russen sind Barbaren - wobei mich hier gewundert hat, dass Orla Sassuwitsch dabei gut wegkommt. Ihr wird kein einziges Mal nachgetragen, dass sie eigentlich zu den Feinden gehört, sondern als bemitleidenswerte junge - vor Sorgen stark gealterte - Frau hingestellt. Der ganze Charme, den Orla in dem Buch Trotzkopfs Brautzeit versprüht geht hier ganz und gar verloren.
Ilse selbst ist für mich zu einer grauen Katze geworden. Sie hat sich ihrer Umgebung, der Zeit und den Wünschen ihrer Eltern angepasst und lebt das Leben, das damals von einem Mädchen aus guten Hause erwartet wurde.
Ich kann voll und ganz verstehen, dass Else Wildhagen gegen diese Fortsetzung der Geschichte des Trotzkopfes protestiert hat und finde es nach wie vor ein Unding, dass einfach so ein Buch fortgesetzt werden konnte - ohne Rücksicht auf Verluste.
Trotz und alledem würde ich gern die 2. Geschichte von Marie von Felseneck lesen, die sie über den Trotzkopf geschrieben hat - nämlich "Trotzkopf heiratet". Allerdings frage ich mich, wieso dieses Buch Trotzkopf heiratet heißt, wenn Ilse in dem Buch "Trotzkopfs Erlebnisse im Weltkriege" mit Leo kriegsgetraut wird.