Sylvia Lott: Die Lilie von Bela Vista
Taschenbuch: 576 Seiten Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag (17. August 2015)
Als die Hamburger Modedesignerin Josie das antike Collier ihrer Großtante erbt, ahnt sie nicht, dass dieses auf eine dramatische Liebesgeschichte zurückgeht – und ihr Leben verändern wird. Idar-Oberstein, 1830. Sophies Verlobter ist wie so viele Männer nach Brasilien ausgewandert – und entdeckt dort Edelsteine. Als Karl nicht kommt, um Sophie wie versprochen in die neue Heimat zu holen, ahnt sie, dass er ihre Hilfe braucht. Kurzentschlossen reist sie ihm hinterher und wird in einem Indiodorf im Dschungel fündig. Doch Karls langes Schweigen hat Gründe, die Sophie erst langsam durchschauen wird.
Als die 38 jährige Hamburger Modedesignerin Josie Wagner eine Nachforderung für ein Schließfach ihrer Bank erhält, erfährt sie vom Erbe, dass ihr ihre Großtante Martha hinterlassen hat. Das wertvolle Collier ist ein Familienerbstück, das einst Sophie Kreuzer gehörte. Während Josies Freund Edgar der Kauf einer Wohnung vorschwebt, spürt sie eine Verbundenheit mit ihrer Ahnin aus dem 19. Jahrhundert. Josie möchte mehr über diesen Schmuck erfahren und fährt in die Edelsteinstadt Idar-Oberstein, wo ein Zweig ihrer Familie lebt, zu dem sie nie richtig Kontakt hatte. Josie besucht ihre Angehörigen und Ada, die Freundin ihrer Großtante in Idar-Oberstein. Dort erfährt sie zum ersten Mal etwas über die Lebensgeschichte einer ihrer Vorfahrinnen, nämlich die von Sophie Keller, der Tochter eines Edelsteinschleifers in Idar Oberstein. Sophies Geschichte beginnt in den späten Zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als viele Bewohner Idar Obersteins nach Brasilien auswanderten um dort ihr Glück in den Edelsteinminen zu finden. Sophies Geschichte zieht einen mit, sie war eine beeindruckende Persönlichkeit. Sophie hatte es in ihrem Leben nicht leicht, dennoch ging sie ihren Weg und trotzte vielen Widrigkeiten. Es war spannend ihre Wege mitzuverfolgen, dabei gab es auch einige unvorhersehbare Wendungen.
Der zweite Handlungsstrang erzählt Sophies Geschichte, die 1827 mit dem Kennenlernen von Karl beginnt. Karls Familie wandert kurz darauf mit einem Treck nach Brasilien aus. Im Hunsrück entschlossen sich zu der Zeit viele Menschen dazu, um auf der anderen Seite des Atlantiks ein besseres Auskommen zu haben. Sophie sehnt sich nach Karl, bis sie sich sieben Jahre später selber auf die Reise begibt. Sie bewältigt den beschwerlichen Weg per Schiff, auf dem Maulesel und zu Fuß bis in ein Lager mitten im Dschungel. Hier hat Karl eine Edelsteinmine entdeckt. Allerdings hat er auch ein schweres Fieber, das ihn auszehrt.
Sophies und Karls teilweise unglückliches und dramatisches Leben wird als Rückblick von Ada erzählt. Sie ist nicht direkt als Familienangehörige betroffen und kann daher mit dem nötigen Abstand alles wiedergeben, was Josies Großtante ihr anvertraut hat. Der Ausflug ins ferne Brasilien gelingt durchweg farbenprächtig und authentisch. Als Leser spürt man wieder zwischen den Zeilen das feuchtwarme Klima des Dschungels, hört während der Überfahrt die Wellen an die Bordwand schlagen oder spürt die Verzweiflung, wenn Sophie ihre Pläne ändern oder Rückschläge einstecken muss. Das Erzähltempo ist eher hoch, sodass es kaum Verschnaufpausen beim Lesen gibt. Die Ereignisse reihen sich so aneinander, dass man einmal angefangen nur noch schlecht aufhören kann.
Ich war sehr gespannt auf "Die Lilie von Bela Rosa". Auch dieses Buch ist wieder sehr schön und man kann es positiv herausheben inmitten vieler anderer Bücher, die auf zwei Zeitebenen spielen. Besonders hervorzuheben ist neben dem tollen sprachlichen Stil, einer packenden interessanten Story, umrahmt von wunderbaren Landschaftsbezeichnungen, die tiefe und umfassende Recherche um das Thema Achat, Amethyst, Schmucksteinverarbeitung in Idar-Oberstein um 1830 und heute, sowie das erzählende Auswandererthema aus dem Hunsrück nach Brasilien. Mich interessiert Schmuck schon immer und in den letzten Jahren habe ich auch größere Schmucksteine zu schätzen gelernt. Achatscheiben sind bei mir Gläseruntersetzer und beim Lesen musste ich auch an meine früheren Besuche der Hannoverschen Edelsteintage denken.
Fesselnd war für mich besonders Sophies Geschichte. Es hat mir sehr gefallen von der großen Auswanderungswelle um 1830 nach Brasilien zu lesen, so gut, dass ich gleich im Anschluss ein weiteres Buch gelesen habe, von Hunsrückern, die 1860 auch in diesem Land einen Neubeginn wagen. Im Lott-Buch lässt sich auch die Gegenwartserzählung gut lesen und man sieht, weil gut beschrieben, so manche Szene vor dem eigenen Auge.
Auch wenn das Buchcover einem eine seichtere Sommerliebesgeschichte vermeintlich vorgaukeln möchte, zumindest der Klappentext klärt es etwas auf. Mir gefallen Pastelltöne, doch ich gebe zu, es fällt schwer im Buch die passende Szene für den Titel zu finden. Ich weiß aber natürlich auch, dass das Cover Verlagsentscheidung/ -politik ist und sich manch Autor andere Titel wünscht. Lobend hervorheben kann ich die Buchverarbeitung, ich mag es sehr, wenn auch 600 Seiten Wälzer so biegsam im Buchrücken sind, dass keine Knicke zu sehen sind und eigentlich das Buch ungelesen aussieht.
Fazit: Ich warte gespannt auf den nächsten Schmöker der Autorin. "Die Inselfrauen" erscheint im Mai 2016. Wohin wird sie uns diesmal mitnehmen? Ich habe sie gefragt, sie darf es noch nicht verraten...
_________________ Liebe Grüße von Christiane *********************************** "Wenn Du ein Buch auf eine Reise mitnimmst, dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, Deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst Du wieder dort sein, wo Du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Worten wird alles zurückkommen - die Bilder, die Gerüche, das Eis, das Du beim Lesen gegessen hast." Mortimer Folchart
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