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 Betreff des Beitrags: Amy Kathleen Ryan
BeitragVerfasst: 28.11.2011, 10:50 
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Amy Kathleen Ryan - Sky Chasers 01 - Glow

Vor 43 Jahren, als die Erde vor dem endgültigen Klimakollaps stand, und immer mehr Gebiete zu Wüsten wurden, ergriff man eine verzweifelte Maßnahme. Zwei Generationenschiffe wurden auf eine lange Reise zu einer neuen Erde geschickt. Die New Horizon startete ein Jahr vor der Empyrean, aber es gab ein unerwartetes Problem. Die Fruchtbarkeit nahm im All drastisch ab und es schien, als wäre die Mission zum Scheitern verurteilt, als man auf der Empyrean nach fast 30 Jahren endlich eine Lösung für das Fruchtbarkeitsproblem fand. Kieran Alden ist mit seinen 16 der älteste Junge an Bord und alle erwarten, dass er und die fünfzehnjährige Waverley Marshall bald heiraten werden, um möglichst viele Kinder zu zeugen, denn es werden starke junge Besatzungsmitglieder benötigt, um den neuen Planeten zu besiedeln. Auf der New Horizon jedoch scheint etwas schief gelaufen zu sein, es gibt keine Kinder an Bord und die Mannschaft sieht sich dazu gezwungen extreme Maßnahmen zu ergreifen. Sie überfällt die Empyrean und entführt alle Mädchen.

Das klingt auf den ersten Blick nach „Die Entführung der Sabinerinnen im All“ und das ist es zu Beginn auch, jedoch nur zu Beginn, denn dann wird dieses Buch das, was man von guter Science Fiction erwartet: Sozialkritik und Religionskritik ohne schwarz und weiß Malerei, etwas was heutzutage wirklich selten geworden ist und Jugendliche, für die dieses Buch eigentlich geschrieben ist, entweder überfordern wird oder sie werden diese Kritikpunkte möglichweise gar nicht so erfassen. Dann jedoch bleibt immer noch eine sehr spannende Science Fiction Geschichte übrig.
Für die Besiedlung der neuen Erde werden viele junge Menschen benötigt. Es dauerte aber 27 Jahre bis das Fruchtbarkeitsproblem an Bord der Empyrean gelöst wurde. Auf den jungen Mädchen lastet somit ein großer sozialer Druck, denn jedes von ihnen hat zumindest vier Kinder zu gebären und um sicherzugehen, dass das was wird, auch möglichst früh zu heiraten. Die Auswahl an Bord ist nicht sonderlich groß und Waverly fühlt sich auch noch zu jung eine solche Entscheidung zu fällen, zumal es neben Kieran auch noch Seth gibt.
Die Crew der New Horizon hat ein anderes Problem, sie haben das Problem der Unfruchtbarkeit nie gelöst, bzw. wurden sabotiert. Hilferufe wurden von der Empyrean ignoriert und nun bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu extremen Mitteln zu greifen, um ihr Fortbestehen zu sicher. Hier fragt man sich natürlich, warum werden die Crews nicht neu verteilt. Das Problem liegt darin, dass die Empyrean ein säkulares Schiff ist, die New Horizon jedoch ein religiös geprägtes, von einer Pastorin geführtes Schiff. Die Crew der New Horizon sieht nicht nur die Arterhaltung gefährdet sondern fürchtet auch das Aussterben ihres Glaubens und hier wird es richtig spannend, denn das ist eines der Hauptthemen des Buches: Religion – Segen oder Fluch.
Der Glauben hält die Menschen auf der New Horizon zusammen, hat sie durch eine schwere Zeit geführt und es scheint, als wenn vor allem die Männer, respektvoller den Frauen gegenüber währen. Es scheint, als wenn das Los der Frauen an Bord eines religiös geprägten Schiffes weniger hart wäre als an Bord der Empyrean, wo sich die Teenager der Anzüglichkeiten der älteren Männer erwehren müssen. Der Schein jedoch trügt, denn wie im wahren Leben ist auch an Bord der New Horizon die Religion ein Deckmantel für Verbrechen. Aber selbst diese Verbrechen, die die Würde des Einzelnen antasten und in dessen Rechte eingreifen sind notwendig, soll die Menschheit überleben, denn letztendlich profitieren deutlich mehr Menschen von diesen Taten, als darunter zu leiden haben, und aus neutraler, wissenschaftlicher Sicht ist dieses Vorgehen in vielen Teilen zwingend notwendig und man kann nicht auf eine Zustimmung der Betroffenen warten, sondern muss handeln, zumal die Menschen an Bord bereits Mitte 50 sind und ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt.
Während also auf der New Horizon die Religion ein Machtinstrument ist und zur Unterdrückung genutzt wird, muss man an Bord der Empyrean erkennen, dass Logik und Wissenschaft nicht ausreichen, um die Überlebenden zusammenzuschweißen und zum Weitermachen zu bewegen. Die Religion wird zum Hoffnungsschimmer, zu einem Mittel, die Menschen zusammenzuschweißen, aber auch zu einem Machtinstrument, wenn sie missbraucht wird.
Die große Stärke der Autorin ist es, keine Position zu beziehen. Die lässt die sehr lebendigen Protagonisten ihre Entscheidungen treffen, jeder hat seine Gründe für sein Handeln und diese Gründe sind nicht gut oder schlecht, sie sind auf ihre Weise alle notwendig und von der jeweiligen Lage des einzelnen diktiert. Keine schwarz weiß Malerei, wie man das heutzutage in Romanen gerne hat, sondern viele, viele Grautöne, die zugleich auch die heutige Zeit kommentieren. So begeht Anne Mather ein Verbrechen, dass die unschuldigen, ahnungslosen Menschen an Bord ihres Schiffes glücklich macht und handelt, wie man das aus den Kreuzzügen und anderen Kriegen kennt: Erst mal töten und danach beten. Aber auch Anne Mather wurde betrogen und hat allen Grund sich zu rächen, dennoch leiden darunter, wie in der Realität, die Unschuldigen. Die Führer treffen eine Entscheidung, aber die unschuldige Crew muss es ausbaden, das macht eine Verallgemeinerung unmöglich und fokussiert den Blick auf Einzelschicksale.
Highlights sind die intellektuellen Zweikämpfe zwischen Anne Mather und Waverley auf der New Horizon und zwischen Seth und Kieran an Bord der Empyrean.

Ein Problem jedoch hat das Buch, und das liegt in der wissenschaftlichen Recherche, es wimmelt vor biologischen Fehlern.
1. Misplaced phenol molecule – sie meint wohl eher eine phenyl Gruppe und kein Phenol Molekül
2. Vanilla tree – Die Vanille ist eine Kletterorchidee und kein Baum
3. Warum müssen die Zyklen der Empfängerinnen mit denen der Spenderinnen übereinstimmen? Embryonen kann man einfrieren und wenn man clever ist, teilt man sich vorher auch noch.
4. Waverly kennt kein Eis, weil es keine Kühe gibt, ABER es gibt Ziegenmilch und Eis kann man sowohl aus Saft als auch aus Süßlupinen herstellen.

Fazit: Die Geschichte reißt teilweise mit, teilweise geht sie einem so gegen den Strich, dass man das Buch gegen die Wand werfen möchte. Aber das ist beabsichtig und wirklich hervorragend umgesetzt. Selten schafft es ein Autor, dass man Charaktere so hasst aber gleichzeitig auch versteht, warum sie so handeln und das einem wieder Respekt abnötigt.
*****+

Auf Deutsch erscheint das Buch bei PAN im März 2012 unter dem dämlichen Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen


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Tags

Auto, Bau, Erde, Essen, Ford, Frauen, Kinder, Laufen

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