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BeitragVerfasst: 28.06.2014, 12:31 
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gesprächiges Gnu
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Bubi und Mädi sind Zwillinge, darum haben auch beide am gleichen Tag Geburtstag, nur Bubi ist zwei Stunden älter als Mädi und viel klüger (glaubt er) in seiner vierjährigen Weisheit. Die beiden kleinen Hosenmätze, die eigentlich Herbert und Suse heißen, leben mit ihren Eltern in Berlin in Treptow, wo ihr Vater Paul Winter auf der Sternenwarte als Professor arbeitet.
In diesem Buch erzählt Else Ury die alltäglichen Erlebnisse dieser beiden kleinen Kinder. Sie schildert dabei sowohl die kindliche Sichtweise und vor allem die kindliche Logik, die hinter einigen der Streiche steckt, die diese beiden Rabauken aushecken, als auch die Reaktion der Erwachsenen („Es ist wirklich bedauerlich, daß die großen Leute oft die guten Absichten der kleinen Leute gar nicht verstehen.“ (S. 143)). Gelungen verschwimmen dabei auch für den Leser, der mit den Kindern mit lebt teilweise Realität und Kindertraum. Bubi und Mädi sind zunächst sehr modern charakterisiert. Mädi findet Puppen langweilig, sie spielt lieber mit Bubis Schaukelpferd, während Bubi auch gerne mal mit Puppen spielt, bis sich auch Bubi und Mädi nach einem Besuch bei der Oma im konservativen Freiburg den Normen beugen („Ein Junge gehört zu seinem Pferdchen und ein Mädchen zu den Puppen“ (S. 188) bzw. „ Schaukelpferde sind für kleine Jungs da und nicht für Mädels“ (S. 194)).
Die Geschichte ist in Else Urys typischen Stil geschrieben. Teilweise beschreiben die Spielsachen die Szene und kommentieren die Handlung der Kinder, wie lebendige Wesen. Teilweise nimmt sie auch Rücksicht auf die armen Erwachsenen, die ihren Kindern diese Bücher vorlesen mussten und flicht Witze für Erwachsene ein („Bubi, wenn du erst eine Braut hast, darfst du nicht mehr aus der Flasche trinken.“ (S. 44).
Es gib im Text immer mal Szenen und Verweise auf andere bekannte Geschichten der Autorin, wie „die Rute hinter dem Spiegel“ (S. 40), die die kleinen Zuhörer aus „Babys erstem Geschichtenbuch“, kannten.
Immer wieder zeigt sich, dass saubere Recherche so gar nicht Urys Stärke war. Auch diesmal ist einiges zu bemängeln. Professor Winter ist gerade mal knapp 30, da ist er sicherlich kein Professor in dem Sinne, wie man sich das heute vorstellt, sondern wohl eher Postdoc oder wissenschaftlicher Angestellter, aber damals wurden auch Lehrer schon mal als Professor bezeichnet.
Für Else Ury beginnt der Schwarzwalt mitten in Freiburg. Frau Winters Eltern leben an einem Hang in Freiburg, den man vom Bahnhof aus bequem zu Fuß erreichen kann, das kann nur der Schlossberg sein oder Herdern, da ist aber definitiv noch weit und breit kein Schwarzwald.
Das Buch ist aus mehreren Gründen etwas anstrengend zu lesen. Ury schreibt gerne Dialekt und wie die handelnden Personen eben sprechen. Die Hauptpersonen dieses Buches sind vier Jahre als, der Grammatik und Aussprache nicht mächtig und dementsprechend anstrengend zu lesen. Auch den Badischen Dialekt hat die Autorin nicht genau recherchiert, alles was sie weiß ist, dass es da viel sch statt s gibt, Badisch spricht aber keiner wirklich, es klingt teils eher nach Bayrisch.

Das Buch erschien 1923, wurde 1951 vom Hochverlag neu aufgelegt und 1980 von Tosa. Jede dieser neuen Auflagen wurde überarbeitet und was jeweils geändert wurde ist sehr interessant. Die Änderungen fallen grob in drei Kategorien:

1. Streichungen:
„Ja, das waren noch andere Zeiten, damals in Westpreußen. Aber jetzt sind die Polen drin, und darum sei die alte Frau Winter, Bubis und Mädis kleine Omama, wie die Kinder sie immer nennen, weil sie kleiner ist als die andere Omamam, mit ihr nach Berlin gezogen (S. 8).“ – Verständlich, dass man nach dem zweiten verlorenen Krieg nicht auch noch an den ersten verlorenen Krieg des Jahrhunderts erinnert werden wollte.
Die Episode mit der Schnurrbartbinde, als Bubi und Mädi sich mit Rasierschaum einschmieren wurde ab 1951 gestrichen, weil keiner mehr Schnurrbartbinden trug.
Das Eierhäuschen liegt 1920 und 1951 noch an der Spree, 1980 nur noch an einem Fluss, genauso wird 1980 die Treptower Sternenwarte nur noch zu einer Sternenwarte und der Treptower Park zu einem Park. Auch Oma wohnt ab 1980 nicht mehr Station „großer Stern“ (S. 103).
Schon 1951 hat Oma kein Dienstmädchen namens Luise mehr und auch die Episode, dass Annchen sich nicht an den Tisch der Herrschaft setzen mag ist gestrichen worden.
1920 und 51 wohnt der Fotograf in Berlin, danach nur noch in der Stadt und nicht mehr unter sondern auf dem Dach.
Während von 1912 und 51 noch darüber nachnachte Knie- oder Bruststück zu fotografieren, viel dieses Wortspiel 1980 komplett aus, aber immerhin fixiert man ab 1980 Bibis Kopf nicht mehr für das Foto mit einem Gestell. Und ab 1980 trägt Oma auch keine Morgenhaube mehr.

2. Sprachliche und rechtschreibbedingte Anpassungen, die teils durchaus sinnvoll sind, teilweise unnötige Umformulierungen.
1920: mein sein Mädi (S. 26) – 1951/1981 Mädi und ich (S. 19)
1920: Zeck spielen (S. 24) - 1951/1981 Fangen spielen (S. 23)
1920: szad nich (S. 27) - 1951/1981 Sad nich (S. 27)
1920: szon mollig (S. 30) - 1951/1981 Sön heiß (S. 30)
1920/1951: Gallerie (S. 34) - 1981 Balkon (S. 33)
1920: aufwarten (S. 37) - 1951/1981 schenken (S. 34/36)
1920: Triefe (S. 58) - 1951/1981 Kreisel
1920/51: ins Bett spediert (S. 66/62) – 1980 in Bett gebracht (S. 66)
1920/51: Ein Ende weitergeblasen (S. 76/72) – Ein Stück weitergeblasen (S. 70).
1920: angeputzt (S. 99) - 1951/1981 angezogen
1920: Elektrische (S. 100) - 1951/1981 Straßenbahn
1920/51: appetitlich (S. 104/99) – 1980 nett
1920/51: schreckliche Teuerung (S. 105/100) – 1980 hohe Preise (S. 103)
1920/51: Ja, Kuchen! (S. 110/105) – 1980 Das könnte euch so passen (S. 109)
1920: Baubau - 1951/1981 Hündchen
1920: ßreie - 1951/1981 sreie (generell ß am Anfang wird durch s ersetzt)
1920: Geheimrat (S. 131) - 1951/1981 Doktor (S. 126/128)
1920: angelegentlich (S. 141) – 1951: eingehend (S. 135) – 1980: genau (S. 138)
1920/51: Fliejenstöcker und die sprachliche Verortung in Berlin gehen 1951 mit Fliegenfänger (S. 141) verloren.
1920: Photograf (S. 153) - 1951/1981 Fotograf
1920/51: anfachtsvoll (159/153) – 1980: ausdrucksvoll (S. 154)
1920: Billett werden geknipst (S. 164) - 1951/1981: Fahrkarte werden gelocht (S. 161/160)
1920: Puffbahn (S. 168) – 1951/1981: Eisenbahn (S. 161/162)
1920/51: Kapitalskerl (S. 176/170) – großartiger Kerl (S. 170)

3. Technische und Gesellschaftliche Anpassungen
1920 zieht Bubi die Manschetten (S. 42), 1951 den Kragen (S. 39) und 1980 die Krawatte (S. 42) des Vaters hinter sich her.
1920: Gummiarabicum (S. 47) - 1951/1981: Klebstoff (S. 46)
Bubi und Mädi sollten 1920 100 Mark beim Würfeln an der Bude zahlen (S. 59) - 1951/1981 sind es nur noch 50 Pfennige.
1920 Schlächterwagen (S. 102) – 1951 Metzgerwagen (S. 98) – 1980 Wagen (S. 101)

Teilweise ist es gut nachvollziehbar, warum geändert wurde, einige Umformulierungen 1980 sind aber so gar nicht einsichtig.

1920/51: So keck er sonst ist, heute hält er die Hand seiner guten alten Kinderfrau fest umklammert. Mädi kriecht vor Angst beinahe in Muttis Mantel hinein.
1980: Die kleinen Sind etwas verängstig. So viele Menschen haben sie noch nie gesehen.

1920: Was Bubi kann, muß Mädi sein Zwilling doch auch versuchen. Auch die kleine, große Omama nimmt ein Prischen.
1980: Was Bubi kann, muß Mädi auch versuchen, weil sie doch sein Zwilling ist. Auch die verkleidete Omama nimmt sich vom Schnupftabak.

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