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BeitragVerfasst: 28.06.2014, 12:29 
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gesprächiges Gnu
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Lotte Naseweis und andere Geschichten, ist eine Kurzgeschichtensammlung, die 1917 erschien und 10 Geschichten bündelt, welche bereits einige Jahre zuvor in unterschiedlichen Jahrbüchern und Zeitschriften erschienen waren.

1. Lotte Naseweis (Der Jugendgarten Band 38 (1913), S. 65-79)
Hamburg. Die zwölfjährige Lotte Martin, aus wohlhabendem Hause, ist ein aufgewecktes intelligentes Mädchen. Sie ist sich dessen bewusst und will sich überall hervortun. Diese Naseweisheit trägt ihr gleich am ersten Schultag beim neuen Lehrer den Spitznamen Lotte Naseweis ein, der von nun an immer wieder verwendet wird, sie zu ermahnen, sich auch einmal zurückzunehmen und andere zu Wort kommen zu lassen.
Nettes, harmloses Geschichtchen, über ein vorlautes Kind.

2. Eva, das Kriegskind (Der Jugendgarten 41 (1916) S. 87-113)
Frau Professor Trendlers Mann ist im Krieg. Sie sieht es daher als ihre Pflicht an, Kriegskindern zu helfen. Daher nimmt sie sich die kleine Eva als Mittagsgast, deren Mutter tot und Vater im Krieg ist. Eva lebt bei einer Tante, die sie als billige Arbeitskraft missbraucht. Als Tante Astas einziger Sohn im Krieg verschollen ist, schließen sich diese beiden Kriegseinsamen fest aneinander an.
Diese Geschichte erschien im ersten Jahr des ersten Weltkrieges und spiegelt diese Zeit wieder und das erste Kriegsweihnachten. Einerseits ist diese Geschichte eine Aschenputtelvariante, andererseits eine Geschichte, die den Kindern aus ihrer Zeit erzählt. Es geht um Vaterlandsliebe, als Theo sich als begeisterter Gymnasiast in den Krieg meldet. Es geht aber auch um erste Themen, wie die Familie bangt, als Theo verschwunden ist bis endlich Nachricht kommt, dass er gefangen wurde. Hier wird nicht verschwiegen, dass Krieg Leben kostet (Evas Vater stirbt in Russland), hier sterben die Soldaten und die Zurückgebliebenen trauern. Die Begeisterung des ersten Kriegsjahres ist vorüber und man hat erkannt, dass dieser Krieg nicht so schnell enden wird. Eine erste Ernüchterung tritt ein, die sich in dieser Geschichte von Verlust und Hoffnung widerspiegelt.

3. Goldhänschen (Meidinger Kinderkalender (1915), S. 131-149)
Lenchens Mutter, eine Witwe, verkauft Milch, die Lenchen morgens an die Kunden verteilt, noch bevor sie zur Schule geht. Lehnchen wünscht sich nicht so sehr wie ein Geschwisterchen oder ein anderes Wesen, das sie lieben und hegen kann. Eines Tages fliegt ihr ein Kanarienvogel zu, der im Schnee beinahe erfroren ist. Lehnchen pflegt ihn gesund und er wird ihr Leben und das des blinden Richard sehr verändern.
Ein harmloses, zeitloses, märchenhaftes Geschichtlein über Nächstenliebe und Das Opfern des Liebsten um einem anderen einen Freude zu machen. Hier wird Nächstenliebe und Opfer noch belohnt, wie in den Klassischen Märchen und Sagen.

4. Die kleine Samariterin (Meidingers Kinderkalender (1916), S. 21-32)
August 1914. In einer kleinen Hütte, am Rande eines kleinen galizischen Dorfes lebt die dreizehnjährige Rosel mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Zu Kriegsbeginn werden zunächst Soldaten bei der kleinen Familie einquartiert, kurz darauf verläuft die Front mit ihren Schützengräben fast im Garten der Familie.
Rosel kann es nicht mit ansehen, wie die verletzten Soldaten auf dem Felde leiden und springt zwischen Granaten und Bomben einher, um den verletzten Soldaten Wasser zu bringen und ihnen in ihrer letzten Stunde beizustehen, bis sie selber schwer verletzt wird.
Grauslige Geschichte, war mein erster Gedanke. Relativiert wird dieser jedoch durch die Unterüberschrift, die darauf hinweist, dass es sich bei diesen Ereignissen um eine wahre Begebenheit aus dem Kriegsjahr 1914/1915 handelt, die damals durch die Presse ging. Eine Geschichte voller Heldenmut, Pathos und Selbstaufopferung „Nicht weinen, Mutterle, ich bin stolz darauf, daß ich meinen Fuß für unser Vaterland hab‘ hergeben dürfen.“ (S. 79)
Auch hier gibt es jedoch ein happy End. Letztendlich tauscht Rosel den Fuß gegen eine gute Ausbildung und Leibrente, dafür hätten andere damals wohl noch ein Auge und ein Bein dazugelegt. Über den Bruder, der in den Krieg zieht, schweigt die Autorin in dieser Geschichte. Eine Geschichte, die den Kindern Heldenmut zeigen soll und Mut machen soll, wo der Krieg bereits 2 Jahre andauert und immer mehr Opfert fordert.

5. Die beste Freundin (Der Jugendgarten Band 42 (1917), S. 257-283)
Spätsommer in einem Dorf an der schlesisch-bömischen Grenze. Die zwölfjährige Hildegard Eckhart ist Tochter des Glasfabrikbesitzers. Ihre beste Freundin ist die Gretel, die aber nur Tochter eines Angetellten der Fabrik ist. Nun, im Sommer, wo standesgemäße Spielgefährtinnen als Sommergäste im Dorf weilen, verbringt Hilde ihre Zeit lieber mit diesen Mädchen und vernachlässigt Gretel. Ihr ist bewusst, dass es sich hierbei um unschöne Standesdünkel handelt, sie hat aber nicht den Mut zu Gretel zu stehen. Auf die harte Tour lernt sie, dass „nicht das Kleid den Menschen macht, sondern daß es auf das Herz ankommt, das unter dem Kleide schlägt. Es lernte verstehen, wie wenig Hab und Gut bedeutete, das im Augenblick zerstört werden kann, und es lernte den Segen fleißiger Arbeit kennen.“ (S. 108 )
Eine harmlose Geschichte über wahre Freundschaft. Der Einzige Hinweis auf den Krieg ist die Furcht der Mädchen bei einem Getöse, dass es sich um die Russen handeln könnte. Ansonsten Ferienidylle im dritten Kriegsjahr.

6. Fräulein Professor (Das Kränzchen Jahrgang 25 (1912), S. 312 ff)
Die vierzehnjährige Ruth ist ein kluges Mädchen, dass es liebt zu lernen und darüber gerne mal die Realität und die Welt um sie herum vergisst. So lernt sie zwar schnell nebenbei Latein, ist aber für das tägliche Leben nur bedingt zu gebrauchen, weil sie gerne in ihrer Zerstreutheit allerlei Dinge anstellt.
Eine Vorkriegsgeschichte, in denen die Autorin dafür plädiert, auf Mädchen studieren zu lassen. Die Mutter vertritt die alte Meinung, dass „Ich überlege, ob es wirklich zu deinem Glücke ist, wenn du aufs Gymnasium gehst und studierst. Ich fürchte, daß du dann für das alltägliche Leben überhaupt nicht mehr zu gebrauchen sein wirst – daß du dann völlig in deinen Büchern lebst, und deine Zerstreutheit noch viel schlimmer wird.“ (S. 130). Der Großvater vertritt jedoch die fortschrittliche Meinung, dass sie studieren soll, denn er erkennt sich in Ruth selber wieder. Er, Lehrer mit Leib und Seele, sollte nach seines Vaters Meinung Schuster werden.
Ein Plädoyer für die höhere Mädchenbildung!

7. Kornblumentag (Der Jugendgarten Band 39 (1914), S. 1-20)
In Potsdam soll ein Kornblumentag veranstaltet werden, ein Tag, an dem zu wohltätigem Zwecke Blumen für 10 Pfennig das Stück verkauft werden. Auch die schüchterne, zwölfjährige Elfriede Hase soll Blumen verkaufen, wovor sie aber schreckliche Angst hat.
Putziges, harmloses Geschichtchen über ein extrem schüchternes Mädchen. Das eigentlich bemerkenswerte ist, dass die Mädchen ihre Klassenarbeiten gegenseitig korrigieren, damit sie was dabei lernen.

8. Die Leseratte (Das Kränzchen Jahrgang 22 (1909), S. 295-299)
Die zwölfjährige Liselotte ist eine Leseratte. Mit einem Buch in der Hand vergisst sie die Welt um sich herum.
Anders als in den angelsächsischen Ländern, sah man in Deutschland das Lesen von Romanen, vor allem für Mädchen, als Zeitverschwendung an. Das findet sich in vielen Geschichten der damaligen Zeit, so auch bei Agnes Sapper. Schon immer lasen Mädchen und Frauen wohl lieber Romane, als die Hausarbeit zu machen, was man auch heute noch absolut nachvollziehen kann. Ein gelungenes Portrait einer Leseratte, wie es sie auch heute noch genauso gibt.

9. Ilses erster Kriegsgeburtstag (Herzblättchens Zeitvertreib 61 (1915) S. 151-157)
Die achtjährige Ilse sieht gar nicht ein, warum sie keinen Kindergeburtstag feiern soll und keine Geschenke bekommen soll, nur weil Krieg ist, was hat der olle Krieg denn mit ihrem Geburtstag zu tun?
Eine patriotische Geschichte, in der kleinen Kindern erklärt wird, dass es viel segensreicher ist, Socken und Kleidung ins Feld zu schicken, als unnütze Puppenkleidung und Luftballons zu kaufen. Patriotisch korrekte Kurzgeschichte für die Kleinen. Ilses Schwester Liesbeth ist mit ihren vierzehn Jahren deutlich verständiger, sie versteht was Krieg ist, und was es bedeutet, dass Vater in Russland steht. Ilse wird erst klar, dass Krieg Entbehrung bedeutet, als sie keinen Kindergeburtstag feiern darf. Ein interessanter Blick in das bürgerliche Haus des ersten Jahres des ersten Weltkrieges. So schrecklich dieser heute auch immer wieder in Reportagen geschildert wird, die Kinder nahmen ihn teilweise wohl kaum war, eher durch die kleinen Entbehrungen, die ihnen auferlegt wurden. Diese Geschichte schließt mit der Hoffnung, dass nächstes Jahr bereits Frieden herrschen möge, eine Hoffnung, die sich noch einige Jahre nicht erfüllen sollte.

10. Jungfer Fürwitz
Die dreizehnjährige Ursel Neubert macht Urlaub mit ihrer Tante im Riesengebirge und bringt sich durch ihren Fürwitz in Lebensgefahr.
Eine harmlose Weihnachtsgeschichte, über ein kleines Mädchen, dass sich am Weihnachtsabend im Wald verirrt. Interessanterweise spielt die Geschichte bei Krummhübel, wo Else Ury ihre Villa Nesthäkchen hatte.

10 Geschichten aus den Jahren 1909 – 1917, die bis auf die letzte Geschichte bereits in anderen Zeitschriften und Jahrbüchern erschienen waren. Die Vorkriegsgeschichten unterscheiden sich dabei in ihren Themen deutlich von den Geschichten, die während des ersten Weltkriegs veröffentlicht wurden. In diesem Band wechseln patriotische Geschichten mit Durchhalteparolen mit harmlosen, unterhaltenden Geschichten ab, um aus dem Alltag zu entführen. Im Kriegsjahr 1917 sicherlich die perfekte Mischung. Es ist interessant, wie viel man der Meinung war, einem Kind zumuten zu können, denn die Geschichtensammlung richtet sich an Mädchen von 8-12. Die kleine Samariterin würde man heute wohl als nicht mehr Kindgerecht ansehen. Dennoch sind die meisten Geschichten zeitlos und auch heute noch zum Vorlesen geeignet.

Das Buch gibt es in zwei verschiedenen Ausstattungen:
1917-1921 mit Bildern von L. Usabal
Ab 1929 (45. - 49. Tausend, 50. - 54. Tausend, 55. - 57. Tausend) mit Bildern von Professor Robert Sedlaceck.

5 Sterne


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