Ich habe die
"Insel der blauen Gletscher" nun auch durch und es hat mich von Anfang bis Ende gefesselt.
Hannas Geschichte spielt im Sommer 2013 und beginnt in der Oberpfalz.
Hanna ist 45 und wird von einem Tag auf den anderen von ihren Mann verlassen, der sich plötzlich an der Seite von Biggy verwirklichen will und zu einer Weltumsegelung aufbricht. Das passiert direkt zu Anfang des Buches und man nimmt nichts von der Spannung des Buches, wenn man das vorher weiß.
Statt an ihrer kaputten Ehe zu verzweifeln, nimmt Hanna ihr Schicksal in die Hand und bewirbt sich bei ihrem alten Arbeitgeber. Und tatsächlich, man bietet ihr umgehend einen Job an, eine Reisereportage über Spitzbergen. Hanna überlegt nicht lange und sagt zu. Bereits in Tromsø lernt sie den Polarforscher Kåre kennen und nimmt sein Angebot an, sie nach Spitzbergen zu begleiten. Diese Reise entwickelt sich dann ziemlich schnell zu einer Reise zum ganz großen Glück, das auch nicht durch die dramatische Rückkehr von Hannas Mann Thorsten getrübt wird. Denn auf dieser Reise entdeckt Hanna nicht nur eine 100 Jahre alte Gletscherleiche, sondern auch ein großes Stück weit wieder sich selbst.
Kåre kennen wir übrigens schon aus "Töchter des Nordlichts". Und im Laufe der Geschichte gibt es auch ein kleines Wiedersehen mit Mari und Lisa, Bente, Nora und Mielat. In bester BB-Manier dröselt Kåre Hanna seine etwas komplizierte Familiengeschichte auf.
Emilie ist die Hauptperson des zweiten Erzählstrangs.
Auch ihr Lebensweg führt sie nach Spitzbergen, allerdings schon im Sommer 1907.
Emilie ist die wohlbehütete Tochter eines Elberfelder Großindustriellen. Sie ist gerade 21 geworden und muss nun ernsthaft befürchten, dass ihre Eltern sie verheiraten wollen. Um einen geeigneten Bräutigam für sie zu finden, schicken ihre Eltern sie nach Berlin zu der gefürchteten Tante Fanny. Doch die Tante entpuppt sich als ein ganz anderer Mensch als es Emilie erwartet hat und unterstützt Emilies Streben nach Unabhängigkeit. Mit ihrer Hilfe tritt sie anstelle ihres kleinen Bruders Max, der unter den strengen Anforderungen des Vaters zu zerbrechen droht, als Mann verkleidet eine Expeditions-Reise nach Spitzbergen an. Diese Forschergruppe ist eine seltsam zusammengewürfelte Truppe und jeder scheint irgendwie etwas zu verbergen zu haben. Zu allem Übel kreuzt dann auch noch der kaisertreue Leutnant Poske als Expeditionsleiter auf, den Emilies Vater bereits als geeigneten Heiratskanditaten ausgeguckt hatte. Und dann ist da auch noch Arne, rau und verschlossen, und er schleicht sich in Emilies Herz. Ständig muss sie fürchten, dass ihr Versteckspiel entdeckt wird und diese Reise hält wirklich große Abenteuer für sie bereit.
Die Kapitel wechseln immer zwischen Hanna und Emilie ab und enden leider oft mit einem Cliffhanger, so dass man unbedingt weiterlesen muss. Mit jedem Kapitel verweben sich die Fäden mehr miteinander und man ahnt bald, dass die Leben der beiden Frauen irgendwo einen Berührungspunkt haben werden. Wie Hanna und Kåre die Fäden am Ende entwirren, ist wunderschön und spannend erzählt.
Auch dieses Buch ist wieder sehr gut recherchiert, wie ich finde.
Emilies Kindheit und Jugend als Tochter eines Großindustriellen in Wuppertal weckt wahrscheinlich in jedem, der im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, Erinnerungen an den Heimatkundeunterricht. Emilie als höhere Tochter im kaiserlichen Deutschland war zumindest mir von Anfang an viel vertrauter als das norwegische Bauernmädchen Mari (okay, das stimmt nicht so ganz, denn Maris Kindheit erinnerte mich ganz stark an Anne) und vor allem als Áilu, das Sami-Mädchen.
Und Hannas Eindrücke von Spitzbergen sind wirklich wunderbar anschaulich beschrieben.
Beide Frauen sind sehr lebendig und glaubwürdig. Hanna, die in der in der Mitte ihres Lebens noch mal von vorn anfängt und Emilie, die sich als junge Frau gegen die Zwänge der Gesellschaft wehrt und mutig ihren eigenen Weg geht. Ob eine junge Frau 1907 wirklich eine solche Reise unbemerkt als Mann hätte machen können, weiß ich nicht, aber die Geschichte ist zu schön und Emilie klug, mutig und neugierig auf das Leben.
Und beide Frauen haben durchaus auch ihre Zweifel, ob sie die richtigen Entscheidungen treffen.
Wie schon in den beiden anderen Büchern erfährt man auch wieder jede Menge über die norwegische Geschichte, in diesem Fall über Spitzbergen, seine gewaltige und einzigartige Natur und die Bodenschätze, von denen sich so viele Länder Reichtum versprachen und ein Stück vom Kuchen ab haben wollten.
Schmunzeln musste ich übrigens über den Fürsten Albert von Monaco, der in Emilies Geschichte immer mal wieder auftaucht, weil er gerade auf Spitzbergen weilt und über nahezu legendäre Alkoholvorräte verfügen soll. Das war Albert I., der mehrere Forschungsreisen nach Spitzbergen unternommen hatte. Leider tauchte vor meinem geistigen Auge aber nun immer dieser kahlköpfige, frischgebackene Zwillingspapa auf.
Ich hoffe sehr, dass es nicht der letzte Norwegenroman von Christine Kabus ist. Ich mag ihren
Stil und ihre Liebe zum Detail. Ihre Recherche ist hervoragend und wird ausführlich umgesetzt, aber ohne dass man das Gefühl hat, in einer sachlichen Abhandlung z.B über die Bodenschätze Spitzbergens oder die Folgen des Klimawandels gelandet zu sein.
Edit, eben
entdeckt:
Zitat:
Vor ein paar Tagen habe ich die Druckfahnen meines dritten Romans „Insel der blauen Gletscher“ durchgesehen und soll nun binnen der nächsten Tage erste Ideen für den vierten entwickeln. Er wird wieder in Norwegen spielen, dieses Mal aber nur auf einer Zeitebene in der Vergangenheit. Das war mein ausdrücklicher Wunsch – und ich hoffe, dass es mir gelingt, eine vielschichtige und spannende Geschichte zu kreieren. Ich finde die Jahre um 1900 generell sehr spannend – und speziell in Norwegen, da das Land 1905 die Unabhängigkeit erlangte.