Berte-Bratt-Forum

Gut trotz zuvieler Klischees
Erfahrungsbericht von nadine1978 über Alle nennen mich Pony / Bratt, Berte
24. Dezember 2007


Produktbewertung des Autors:

Niveau: leichte Kost
Unterhaltungswert: hoch
Spannung: durchschnittlich spannend
Humor: ziemlich humorvoll
Aufmachung: ok

Pro: behandelt trotz seines Alters ein ewig aktuelles Thema
Kontra: zuviele Klischees, die Hauptfigur ist etwas ZU gut

Empfehlenswert? ja

Kompletter Erfahrungsbericht
Hauptfigur des Mädchenbuches ist die 16jährige Pony. Sie heißt eigentlich Rita - warum nur dieser blöde Name? Wegen ihrer Frisur (Pferdeschwanz), aber dennoch hätte das nicht sein müssen!

Pony hat ein Problem: Sie stammt als einziges Mädchen in ihrer Klasse nicht aus einem reichen Haus und kann nur von dem träumen, was für die anderen selbstverständlich ist. Grund dafür ist die schwere Asthmakrankheit ihres Vaters - er kann nicht mehr als Ingenieur arbeiten und muß Frau und Tochter von einer kleinen Rente ernähren.
Anfangs versucht Pony, ihre "Armut" zu verheimlichen und mit den anderen mitzuhalten. Das geht nicht lange gut, sie verwendet ihre Nachmittage darauf, ihre Kleider zu verschönern, hat keine Zeit mehr fuer die Schularbeiten - und erlebt einen peinlichen Reinfall, als sie mit einem häßlichen selbstgenähten Kleid auf der Geburtstagsfeier einer Freundin erscheint.

Allmählich erkennt Pony aber, daß bei ihren Freundinnen auch nicht alles perfekt ist. Ein Gespräch mit der Lehrerin überzeugt sie davon, zu ihrer pekuniären Lage zu stehen - und zwar ohne Mitleid zu erregen! Für Pony ist es eine Riesenerleichterung, sich nicht länger verstellen zu müssen - eine schöne Aufforderung an junge Mädchen, sie selbst zu sein und nicht zwanghaft irgendeine Rolle zu spielen!
Übrigens ist Pony durchaus beliebt bei ihren Mitschülerinnen, die reichen Mädchen fühlen sich in ihrem bescheidenen Elternhaus wohl, einfach, weil die Familie so nett ist.

Das Buch ist bejahrt (1960er Jahre), aber trotzdem aktuell - habe es Gott sei dank nicht selbst erlebt, aber offenbar spielen ja teure Markenklamotten und ähnliches für viele Schüler eine große Rolle. Und Mädchen beherrscht oft in der Pubertät - leider - nur ein Gedanke, nämlich: "Wie sehe ich aus?"
Man merkt dem Buch sein Alter nur sehr selten an, z. B. bei der Schilderung von Ursulas Geburtstag, als von "Pflichttänzen" und "Tischherren" die Rede ist. Aber abgesehen von diesen Kleinigkeiten könnte das Buch genausogut heutzutage spielen!

Schön fand ich, daß Tratschereien so entschieden abgelehnt werden - es geschieht Margrets Mutter ganz recht, dass sie verklagt wird!
Eine nette Idee auch, dass ausgerechnet die beiden Erzfeindinnen, Pony und Margret, später gute Freundinnen werden.

Allerdings habe ich auch einiges auszusetzen. Ein paar Sachen sind auf die Nerven gegangen, z. B. daß Ponys Vater angeblich nicht eine Woche allein zu Hause bleiben kann. Er ist doch schliesslich kein Pflegefall!
Und Ponys "Opfer" (sie verzichtet auf eine tolle Reise) wird natuerlich sofort belohnt (mit einer NOCH tolleren Reise!) - hoffentlich erwartet kein Mädchen, daß das in Wirklichkeit auch so ist!

Ärgerlich auch die Kritik an Berits Mutter, die nicht "Mama" genannt werden will, sondern sich von ihrer Tochter mit dem Vornamen anreden läßt. Wie man seine Eltern anredet - ob mit Mama bzw. Papa oder mit dem Vornamen - ist ja wohl eine Privatangelegenheit! Haben die Verfechter von "Mama" und "Papa" mal dran gedacht, daß man dann sein Kind auch "Sohn" oder "Tochter" nennen müßte? Ich persönlich finde, daß der Vorname die einzige angemessene Anrede unter Verwandten ist.
Ein paar Klischees waren auch drin - natürlich sind Ponys Mitschülerinnen alle typische "arme reiche Mädchen", materiell verwöhnt, aber emotional vernachlässigt. Das reichste Mädchen hat die schlimmsten Eltern, das ärmste - Pony - die besten... Dachte Berte Bratt, wer Geld hat, kann keine Kinder erziehen?

Und dann: "So kam es, daß Pony das Schlimmste erlebte, was einem jungen Mädchen passieren kann - sie wurde ein Mauerblümchen." Dieses "Schlimmste" passiert auf der oben erwähnten Party, als kein JUnge Pony zum Tanzen auffordert.
Also wirklich!!! Abgesehen davon, daß heute ein Mädchen auch einen Jungen zum Tanzen auffordern kann, so hoffe ich doch, daß für sie keine Welt zusammenbricht, wenn sie einen Abend lang nicht aufgefordert wird! Es gibt wesentlich Schlimmeres als einen Abend als Mauerblümchen! Und das Selbstwertgefühl eines Mädchens sollte nicht davon abhängen, wie die Jungen sie finden!

Also genug Kritik, trotzdem ein schönes Buch, daher - nach langer Überlegung - doch noch 4 Sterne.




Weitere Details
Leserschaft: Kinder & Jugendliche
Stil: neutral
Wie ergreifend ist die Story? ergreifend
Seitenzahl: 100-200