So, endlich fertig. Das Interview mit Kerstin Gier, hier in voller Länge (ihr seid die einzigen, die das so zu lesen kriegen :-) Kritik dürft ihr meinetwegen gerne unten schreiben ... ich freue mich über konstruktive Beiträge. Ich mache das mit Interviews ja auch nur so nebenbei und lerne gerne dazu .. also, eure ehrliche, kritische Meinung interessiert mich!!!
(achja, wer das neue Buch noch nicht gelesen hat ... es wird auf Inhalte Bezug genommen. Aber nicht so viel - das Ende wird nicht verraten. An dieser Stelle noch mal Danke an Daniela :-), die mich gebrieft hat.)
Interview mit Kerstin Gier vor der Lesung bei Leuenhagen und Paris in Hannover am 22.11.2011
Hallo Sonntag: In ihrem neuen Buch „Auf der anderen Seite ist das Gras grüner“kommt eine Firma namens „Leuenhagen und Söhne vor – Zufall oder Absicht? In der hannoverschen Buchhandlung Leuenhagen war ja Ihre letzte Lesung ... Kerstin Gier: Ehrlich gesagt – das ist Zufall. Diese Namen tauchen aus dem Nichts auf – und ich nehme sie dann einfach. Aber mein Unterbewusstsein hatte diesen Namen bestimmt schon mal so gehört – ich nehme mal an, es hat den von hier geklaut!
Wenn man ihre Bücher seit viele Jahren liest, merkt man eine deutliche Steigerung ... Danke!!!!!
… und der ganz große Erfolg kam dann mit der Mütter-Mafia! Nein, das war nicht so. Ich habe die „Mütter-Mafia“ und „Die Patin“ geschrieben – und dachte auch, dass die beiden Bücher sehr erfolgreich werden würden, weil ich mir schon sicher war, dass ich einen Nerv damit treffen würde. Die liefen aber genauso recht und schlecht wie alle Bücher davor – also, nicht wirklich schlecht – aber eben auch keine Bestseller! Ich war sehr enttäuscht! Ja, und dann schrieb ich „Für jede Lösung ein Problem“ - und das wurde ein riesiger Erfolg, ohne dass jemand dafür etwas Besonderes zusätzlich gemacht hätte. Es hängt sehr stark von dem Programmplatz ab, den der Verlag einem zugesteht. Ich hatte eigentlich immer Unter-Ferner-Liefen- Programmplätze – und dann kann sich einfach auch nicht so viel entwickeln. Aber „Für jede Lösung ein Problem“ lief und lief – nach einem halben Jahr waren schon 100.000 Stück verkauft, ganz viel davon über das Internet. Dann endlich haben die stationären Buchhändler begriffen „Ups, da ist uns ja was entgangen!“ - ja, und dann ging es richtig ab!
Sie sind von Beruf Diplom-Pädagogin – wie kommt man da zum Bücher schreiben? Ach, ich hätte schon auch Lust gehabt, in dem Beruf zu arbeiten – aber zu der Zeit war das Pädagogik-Studium ein Garant für Arbeitslosigkeit. Aber es war gut, dass ich das studiert habe – so war ich wenig abgelenkt durch etwaige Jobs und konnte mich ganz der Schreiberei widmen.
Haben Sie als Studentin auch schon geschrieben, wie die Protagonistin in „Für jede Lösung ein Problem“? Ich habe als Kind schon geschrieben und natürlich auch als Studentin – aber nicht veröffentlicht. Aber es steckt schon etwas von Ihnen in Ihren Protagonistinnen? Ja, ich lege sehr viel von mir in die Figuren – aber ich verteile das! Und zwar auch in die Nebenfiguren. Und die Antagonistinnen, die bekommen meine ganzen schlechten Eigenschaften! lacht Gerade in der Mütter-Mafia – sie wissen schon , die Mütter-Society – da musste ich bei den ganzen nervigen Übermüttern auch meine eigenen Mütterfehler einbauen. Und habe mich wunderbar in diesen Ätz-Müttern selber verbraten! Das hat Spaß gemacht!!!
Wie, sie sind auch so eine nervige Übermutter? Ja, total. Dieses Bedürfnis, das Kind 24 Stunden am Tag glücklich zu machen, diese Unsicherheit, etwas falsch zu machen, also ich bin schon sehr, sehr unlocker gewesen und auch viel inkonsequenter als ich jemals sein wollte. Jetzt ist es besser, mein Sohn ist jetzt 12, fängt an zu pubertieren – jetzt erkenne ich auch die äußeren Einflüsse. Aber die Verantwortung hat mich manchmal erdrückt – und tut es immer noch! Seit dem Moment, von dem an man das Kind in die Arme gelegt bekommt fühlt man diese Wahnsinns-Verantwortung. Es ist schon auch eine harte Zeit gerade am Anfang – und da habe ich mich auch ganz oft gefragt, warum sich junge Mütter nicht gegenseitig unterstützen – sondern noch zusätzlich fertig mache!
Ist das so? Das war unter anderem die Motivation für mich, das Buch „Die Mütter-Mafia“ zu schreiben! Es gibt auch sehr viele tolle Mütter, die einem helfen und mit denen man sich aussprechen kann – aber leider auch sehr viele die einem von früh bis spät einen reinwürgen und man fragt sich, warum machen die das? Warum wollen die, dass man sich schlecht fühlt??? Warum sagen die einem schon am frühen Morgen … „Also, dein Kind hat aber … und warum hast du nicht … und warum hast du die Laterne noch nicht gebastelt? Warum hast du dich noch nicht zu dem Kurs angemeldet?“ Ein sinnloser Konkurenzkampf – anstatt gegenseitiger Unterstützung. Schlimm. Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass ich da enorm viel Stoff habe, dass es für mehr als eine Band von der Mütter Mafia reicht … und dann habe ich es mir regelrecht von der Seele geschrieben. Danach war ich wieder ganz entspannt und großzügig!
Echt? Toll … ich möchte auch ein Buch schreiben! Ich kann es nur empfehlen – es hilft. Versuchen Sie es doch einfach.
Ein ganzes Buch … ähm, neee .. eher nicht. Haben sich die Mütter, die in ihren Büchern so schlecht weggekommen sind, eigentlich wiedererkannt und gehen Sie inzwischen nur noch verhüllt durch die Siedlung? Nö … die meisten kennen mich nicht, ich publiziere ja unter meinem Mädchennamen. Mich hat sogar einmal eine angesprochen: „Du, ich habe ein total lustiges Buch gelesen – das musst du unbedingt auch lesen ...“ Und ich habe so gedacht: man gut, dass du nicht weißt, dass du da drin vorkommst ! Also, die erkennen sich nicht! Aber 1:1 übernehme ich sowieso nicht.
Es gibt Running Gags, die in Ihren Büchern immer mal wieder auftauchen – zum Beispiel das Thema Hochbegabung! Meistens mit einem ironischen Zwinkern – aber bei „In Wahrheit wird viel mehr gelogen“ als eher ernsthafte Nebenhandlung. Ist das auch persönlich ein Thema? Das war Thema – ich war hochbegabt. Bis zu einem gewissen Alter ich sollte in der Schule Klassen überspringen … aber meine Mutter ist sehr entspannt mit dem Thema umgegangen – ich habe sie mal gefragt, warum sie mich nicht hat überspringen lassen – darauf hat sie gesagt: „Ach, ich wusste, es wächst sich noch aus!“
Hochbegabung ist keine Krankheit Nein, das nicht – aber es heißt ja auch nicht, dass man automatisch klug durchs Leben geht, wenn man hochbegabt ist – und oft ist hochbegabt eben gekoppelt mit hochsensibel … naja, ich weiß nicht. Einfach ist das doch auch nicht.
Mensa-Mitglied sind sie nicht? Nein
Ich hätte noch einen Testgutschein … Nein, ich möchte diesen Test nicht machen – ich würde ihn ganz sicher nicht bestehen – also erhalte ich mir lieber den Mythos: „Ich war mal hochbegabt“
Also, ich war mal geht nicht .. entweder sie sind es oder nicht! Neee, ich WAR es mal lacht
In mehreren Büchern tauchen „Lerngeschenke“ auf. Was war denn das schönste „Lerngeschenk“ welches Sie bekommen haben? Keine Ahnung – ich bekommen mindestens eins pro Woche! Und ich brauche in jedem Buch eine Esoterikerin der ich alles in den Mund legen kann, was im Fließtext zu dogmatisch klingt und was ich auch nicht meiner Protagonistin in den Mund legen kann … das sind so Allgemeinplätze. Diese ganzen Begrifflichkeiten – also jemand der sich damit beschäftigt redet auch nur noch so. Das Wort „Lerngeschenk“ hören sie beispielsweise andauernd. Und damit veralbere ich mich auch gerne selbst – ich habe auch ein Faible für Esoterik. Aber ich erkenne natürlich, dass das eigentlich Unsinn ist .. aber trotzdem. Ich handele nach dem Motto:es schadet ja nicht! Das kann man ja mal machen. Ich habe neuerdings eine Putzfrau (Luxus, wirklich) die fragte mich neulich, was die Steine unter dem Bett machen. Das waren Rosenquarze. Die hatte ich da mal hingelegt aber dann vergessen … äh .. und jetzt lagen sie immer noch da – ziemlich verstaubt. lacht
Wann dürfen wir auf eine Verfilmung der Mütter-Mafia! hoffen??? Also, die Rechte liegen seit ein paar Jahren beim ZDF für alle drei Teile – und man ist sich nicht ganz einig ob es ein Film oder eine kleine Serie werden soll. Vielleicht wird es auch nie verfilmt … die verlängern zwar brav immer die Option .. aber wer weiß.
Aber das wäre schade – es ist doch ein richtig toller Stoff für eine Serie Ja, und vor allem ist es vielleicht irgendwann auch nicht mehr aktuell ...
Ach, tolle und seltsame Mütter sind doch immer aktuell. Aber die Edelstein-Trilogie wird jetzt verfilmt? Ja, ab Februar.
Sind sie da involviert? Nein, gar nicht. Ich würde das auch nicht wollen, ich kann so etwas nicht. Man übergibt es zu treuen Händen – ich freue mich sehr darauf und hoffe, dass es gut wird!
In ihrem neuen Buch ist „Zeitreise“ auch wieder ein Thema – ist das ein Trick, damit die Heldin moralisch integer bleibt und gar nicht erst in die Verlegenheit kommt, ihren Mann betrügen zu wollen? Bingo! Genau, das ist ein echter Trick! Ich wollte so gern diese Geschichte erzählen .. wusste aber nicht, wie ich das hinbekommen soll ohne moralisch ein Problem zu haben.
Untreue? Das wäre ein moralisches Problem in einem Frauenroman? Ja. In der Tat. Es ist ein richtiges Problem – zumindest für einen heiteren Roman. Jemanden zu betrügen ist eine ganz ernste und auch traurige Sache … und mit der Zeitreise konnte ich das umgehen. Naja, und außerdem bekommt man so auch noch viel Stoff für witzige Situationen – also, die Zeitreise war schon ein guter Trick. Aber in erster Linie habe ich das tatsächliche angewandt, um diesen moralischen Konflikt zu umgehen.
Die Hauptperson arbeitet als Coach – haben sie sich schon mal coachen lassen? Nee, meine Agentin möchte das gerne – aber ich mag nicht. Wir coachen uns gegenseitig. Und ich habe auch sehr liebe Kollegen – allen voran Eva Völler – und wir sind beide ähnlich strukturiert und könne uns gegenseitig aufbauen . Eva ist fachlich ein großes Vorbild für mich. Da habe ich sehr viel Glück gehabt. Ich bin aber schon neugierig auf ein professionelles Coaching – also, ganz sicher mache ich das noch irgendwann mal. Aber ich glaube, das wäre eher ein Job für mich – ich wäre bestimmt ein Super-Coach.
Aber wir würden Sie als Schriftstellerin vermissen. In vielen Büchern kommen Eltern/Schwiegereltern ganz schön schlecht weg – und Familienfeiern mögen sie anscheinend auch nicht so? Also, Familienfeiern mag ich überhaupt nicht, damit habe ich definitiv ein Problem! Aber meine Familie ist ganz reizend. Mein Vater ist leider schon lange tot – und zu meiner Mutter habe ich ein tolles Verhältnis – sie ist jeden Tag bei uns, passt auf meinen Sohn auf wenn ich auf Lesereise bin - und ist superfit!
Gibt es schon Pläne für eine neues Buch? Hey, ich habe doch gerade eben eins fertig!!!
Ja – aber so rein gedanklich? Klar, gedanklich bin ich schon mitten im Plot – und das erste Mal seit Jahren bin ich auch vertragsfrei. Die letzten beiden Bücher habe ich verspätet abgegeben – und das hat solche Wellen geschlagen , das war furchtbar., Ich meine – ich verstehe das – natürlich hat der Verlag auch ein Riesenproblem, wenn ich nicht pünktlich bin – aber ich gebe doch mein Buch erst dann ab, wenn ich zufrieden bin damit – wenn es fertig ist! Das neuen Buch wird auf jeden Fall ein Jugendbuch werden – und ich werde es in aller Ruhe fertig schreiben und dann einen Verlag dafür suchen! Das sollte kein Problem sein.
(Die Dame von der Buchhandlung, die gebeten hatte beim Interview dabei sein zu dürfen und für Frau Giers persönliches Wohl verantwortlich ist, mahnt, dass es nur noch 15 Minuten seien bis zu Beginn der Lesung, und wenn Frau Gier nochmal durchatmen wolle … Kerstin Giers Antwort: „Nein, brauche ich nicht. Ist doch so nett gerade … (zu mir) also, wenn sie noch Fragen haben .. gerne!“
Eine Frage habe ich tatsächlich noch – es ist ja nun bald Weihnachten (wir verziehen beide das Gesicht) … und unsere Leser möchten bestimmt wissen, wie bei Ihnen zu hause Weihnachten gefeiert wird ... Oh, ganz klassisch natürlich, mit Baum, Geschenken und Katzen, die sich in das Geschenkpapier einrollen ..und wir fahren auch in den Schnee .. und es gibt Puter! Es gibt immer einen Puter, Rotkohl und Klöße.Wir hatten schon mal einen, der war zu groß für den Backofen!Mein Man macht den immer – und beim allerersten Puter, den er gemacht hat, hat er vergessen, ihn zusammen zu binden - und der arme Puter war platt wie eine Flunder.
Sie kochen aber auch gerne, oder? Ja – wobei mittlerweile mein Mann mich da überflügelt hat. Er kocht großartig! Aber wir kochen auch gerne zusammen, für Freunde. Und wir essen beide sehr gerne – und was mein man kocht ist immer sooo lecker! Und wir haben einen sehr guten Bio-Bauern in der Nähe – aber wir versuchen, uns mit dem Fleisch einzuschränken! Irgendwie tun mirt die Tiere einfach leid … Aber wenn man Bio kauft, haben die Tiere doch wenigstens ein gutes Leben gehabt! Ja – und es ist doch auch so lecker. Aber ich schäme mich trotzdem ..irgendwie …
Herr Eberitzsch (der Buchhandlungsbesitzer und Lesungsveranstalter) schaut rein und will Frau Gier von mir erlösen. Frau Gier, alles klar???
Kerstin Gier: Nein helfen Sie mir hier raus – das war ein ganz schlimmes Interview und die haben mir sehr viele gemeine Fragen gestellt … und wollen mich nicht gehen lassen.
Ich: Frau Gier, es tut mir leid., dass Sie so leiden mussten – trotzdem vielen Dank. Sie dürfen jetzt gehen :-)
_________________ Wenn du die Antwort weißt, ändert das Leben die Frage ...
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