Das Haus der verlorenen Kinder von Linda Winterberg
Norwegen, 1941: In dem kriegsgebeutelten Land verlieben sich Lisbet und ihre Freundin Oda in die falschen Männer – in deutsche Soldaten. Ihre verbotene Liebe fordert einen hohen Preis, und die beiden jungen Frauen verlieren alles, was ihnen lieb ist. Ausgerechnet bei den deutschen Besatzern scheinen sie Hilfe zu finden, doch dann wird Lisbet von ihrer kleinen Tochter getrennt. Erst lange Zeit später findet sich ihre Spur – in Deutschland.
Eine dramatische Geschichte um zwei junge Frauen in Norwegen im Zweiten Weltkrieg, deren Schicksal bis in die Gegenwart reicht
Von den Tyskebarna habe ich zum ersten Mal als Teenager gehört. Als großer Abba-Fan hat mich die Geschichte von Sängerin Frida, die ein Tyskebarn ist und über eine Reportage in der "Bravo" damals ihren deutschen Vater fand, sehr berührt. Viel zu diesem Thema gab es aber nicht. Ich habe allerdings vor einigen Jahren das Buch "Schicksal Lebensborn" von Kåre Olsen gefunden, das ist allerdings ein Sachbuch.
1941 - Norwegen Lisbet und Oda sind beste Freundinnen und wachsen in einem südnorwegischen Fischerdorf auf. Als deutsche Soldaten dort stationiert und auch privat einquartiert werden, verlieben sich die beiden jungen Frauen und folgen den deutschen Soldaten sogar später in die Stadt. Es kommt wie es kommen muss, beide werden schwanger. Oda wird von ihrem Günter sitzengelassen, Lisbet scheint es es besser getroffen zu haben. Für Erich scheint sie auch die große Liebe zu sein. Als es beide Männer an die Ostfront verschlägt, bleibt beiden Mädchen nur noch ein Lebensbornheim. Als Freundin eines deutschen Soldaten und obendrein auch noch schwanger schlägt ihnen überall Hass entgegen, sie verlieren die Arbeit, die Unterkunft...
2005 - Wiesbaden Marie ist Vollwaise. Sie begibt sich auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie und landet dadurch als freiwillige Helferin in einem Altenheim in Wiesbaden. Nach dem Krieg war das Heim ein Kinderheim, ein Lebensbornheim und offensichtlich ist ihre Mutter als Kleinkind dort gewesen. Im Altersheim hat es ihr vor allem die alte Betty angetan. Schnell spürt sie zu der Bewohnerin eine enge Verbundenheit. Doch die leichte Demenz der alten Dame verhindert immer wieder Gespräche über deren Vergangenheit. Jemand spielt Marie über die alte Adresse ihres Großvaters ein Tagebuch zu, leider auf norwegisch, so dass sie es nicht lesen kann. Aber ein altes Foto weckt ihre Neugier, denn die Frau auf dem Bild sie ihr sehr ähnlich. Mit Hilfe ihrer Kollegin Gertrud gelangt sie an die alte Akte ihrer Mutter. Doch dann verschwinden plötzlich das Tagebuch, Betty und Küchenhilfe Jan, der Marie nach einem One Night Stand das Tagebuch gemopst hat.
Mehr möchte ich zum Inhalt jetzt gar nicht sagen. Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, aber es hat leider deutliche Schwächen. Im Gegensatz zur Inhaltsangabe erfährt man leider nichts über Lisbets Suche nach ihrer Tochter. Warum Lisbet ihre Tochter verliert, wird überhaupt nicht klar. Sie hat 1942 ständig Briefkontakt zum Vater des Kindes und er zahlt Unterhalt. Und sie lebt mit der kleinen Lieselotte in einem norwegischen Lebensbornheim. Warum der Kontakt zu Erich abbricht, die beiden nicht heiraten und wie Lieselotte nach Deutschland kommt, wird nicht erzählt. Auch erfährt man nicht, ob und wann Lisbet nach ihrer Tochter sucht. Was hat sie später nach Deutschland verschlagen, wenn sie ihre Tochter nicht gefunden hat? Wie kommt es, dass ihre Tochter Lieselotte, Maries Mutter, bei ihrem leiblichen Vater aufwächst? Und wieso hat Lisbet die beiden dann nicht ausfindig gemacht, denn woher Erich stammt, wusste sie. Auch erfährt man nichts über Bettys Nachnamen. Marie erfährt durch das Tagebuch, dass ihre Großmutter Lisbet Tensen heißt. Wenn Betty noch so heißt, warum wird Marie dann nicht sofort aufmerksam? Dass Betty geheiratet hat und einen anderen Namen hat, wird aber nicht erwähnt.
Grundsätzlich hat mir der historische Strang besser gefallen als der aktuelle. Die Ausgrenzungen und Diskrimierungen der Mädchen waren deutlich geschildert. Als Freundinnen von deutschen Soldaten sind sie verhasst und ihre Familien brechen komplett mit ihnen. Lisbet und Oda sind völlig auf sich allein gestellt. Als die Mädchen vom Lebensbornheim erfahren, glauben sie zunächst noch, dass man ihnen dort wirklich helfen will, doch schnell folgt die Ernüchterung als sich das Heim als Zuchtanstalt für arischen Nachwuchs entpuppt. Lisbets Freundin Oda hatte es da gleich doppelt schwer, denn sie hat obendrein noch samische Wurzeln. Ihr Baby galt dadurch als "nicht-arisch" und "nicht vermittelbar".
Der Strang um Marie ist von vielen Zufällen geprägt und verheddert sich leider in vielen Nebensächlichkeiten. Dabei bieten die Figuren durchaus Potenzial. Marie erhält bei ihrer Suche Hilfe von Kollegin Gertrud, die ebenfalls ein Deutschenkind ist und auf der Suche nach ihren Wurzeln ebenfalls in dem Altersheim gelandet ist, weil dort im Keller die alten Akten als der Zeit als das Haus ein Kinderheim war, versteckt sind. Doch statt auch Gertruds Schicksal zum Thema zu machen, verkommt sie als Reisebegleitung, die pausenlos Zimtschnecken in sich reinstopft. Maries und Gertruds Reise nach Hurdal nimmt dermaßen viel Raum ein, dass man sich fragt, was das soll, denn das ist für den Fortgang der Geschichte leider völlig irrelevant.
Insgesamt ein schönes Buch, das aber dem ernsten Thema aber nicht ganz gerecht wird. Oda und Lisbet sind zwei sehr sympahtische Protagonistinnen und ihre Geschichte ist durchaus spannend erzählt und ich war so gespannt, wie es den beiden ergehen wird. Am Ende bleiben aber einfach zu viele Fragen offen. Dass es teilweise nachlässig lektoriert ist, will ich jetzt mal nicht mehr thematisieren, auch wenn mich so was nervt. Wenn man sich für das Thema interessiert, dann ist es aber sicherlich lesenswert.
_________________ Liebe Grüße Ulrike In einer Welt, in der du alles sein kannst: Sei freundlich!
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